„Geschichte nicht vergessen“

Kassel. Weiß und Grau. Das sind beim Blick über die mehreren Hundert Schöpfe an den Biertischgarnituren in der Messehalle die bestimmenden Haarfarben. Ein Großteil der Besucher des Deutschlandtreffens der Landmannschaft Ostpreußen ist im fortgeschrittenen Lebensalter. Das Motto des Treffens lautet: „Ostpreußen hat Zukunft“. Doch interessiert sich die junge Generation überhaupt noch für Ostpreußen?
Großvater aus Königsberg
Christopher Roßmann schon. Der 27-Jährige aus Breitscheid im Lahn-Dill-Kreis ist seit drei Jahren Mitglied im Bund Junges Ostpreußen (BJO), der Nachwuchsorganisation der Landsmannschaft. Sein Großvater ist in Königsberg - dem heutigen Kaliningrad - geboren. Im Zweiten Weltkrieg floh er, damals noch ein Junge, mit der Familie vor der Roten Armee. „Für mich ist Ostpreußen auch ein Stück meiner Identität, weil meine Familie dort ihre Wurzeln hat“, sagt Roßmann.
Als er vor drei Jahren zum ersten Mal mit dem BJO in die Heimatstadt seines Großvaters reiste, habe er an vielen Stellen noch deutsche Spuren entdeckt, erzählt der 27-Jährige. „Auf den alten Gullideckeln in Kaliningrad steht noch ,Königsberg’ drauf.“ Auch wenn die Stadt heute zu Russland gehöre, finde er es wichtig, dass die deutsche Geschichte nicht in Vergessenheit gerate, sagt Roßmann. Deshalb setze er sich dafür ein, dass auch künftig die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit der Region wach bleibe.
Sein Großvater, heute 88, denke vor allem mit Wehmut an seine Heimat zurück, sagt Christopher Roßmann. „Ihm tut es weh, wenn er Königsberg heute sieht, weil es nicht mehr so schön wie früher ist.“ Er selbst sehe das „unverkrampft“, sagt der junge Mann, der als Leiter einer Sparkassenfiliale arbeitet. Ihm sei es wichtig, die Menschen, die heute in dem ehemals deutschen Landstrich lebten, kennenzulernen. „Mir geht es um Völkerverständigung.“ Der Bund Junges Ostpreußen, der auch russische und polnische Mitglieder habe, organisiere beispielsweise auch Jugendbegegnungen, sagt Roßmann, der sich mittlerweile auch im Vorstand des BJO engagiert.
Wunsch: Öffnung zu Europa
„Niemand hier will Ostpreußen zurückhaben“, sagt der junge Hesse zu den Vorwürfen, die der Vertriebenenorganisation oft gemacht werden. „Es geht uns um Erinnerung und Kontaktpflege.“ Auf die Frage, was er sich sich für die Zukunft Ostpreußens wünschen würde, sagt Roßmann: „Dass Russland die Grenzen aufmacht und die Menschen im Königsberger Gebiet, das derzeit völlig abgekapselt ist, von einer Öffnung zu Europa profitieren.“
Wie viele junge Leute im BJO Mitglied sind, wollte Vorsitzender Stefan Hein der HNA übrigens nicht sagen. Er sprach von 1000 Mitgliedern und Interessenten in Deutschland und Ostpreußen.
Von Katja Rudolph