Nach umstrittenen Aussagen über Homosexuelle: Überraschendes Urteil für Uni-Professor Kutschera

Der Uni Professor Ulrich Kutschera stand wegen umstrittener Aussagen über Homosexuelle vor dem Landgericht in Kassel. Nun wurde er freigesprochen.
Kassel – Der Kasseler Uni-Professor Ulrich Kutschera ist am Dienstag (02.03.2021) vor dem Landgericht in Kassel freigesprochen worden. Der Biologe musste sich wegen Verdachts der Volksverhetzung und Beleidigung verantworten. Dabei ging es um Äußerungen über Homosexualität und das Risiko von Kindesmissbrauch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen, die Kutschera 2017 in einem Interview getroffen hatte.
Ulrich Kutschera aus Kassel wirkte selbst ein wenig überrascht von seinem Freispruch. Erfreut und fast, als wolle er sich versichern, dass er es richtig verstanden habe, blickte er zu seinem Anwalt Markus Sittig. Noch in seinem sogenannten letzten Wort als Angeklagter hatte der Kasseler Biologie-Professor gesagt, es handele sich bei dem Verfahren um einen „politischen Schauprozess ohne Substanz“, der das Ziel habe, die deutsche Professorenschaft zum Schweigen zu bringen und eine „Meinungsdiktatur“ zu errichten.
Freispruch für Uni-Professor aus Kassel
Die 7. Kleine Strafkammer des Kasseler Landgerichts unter dem Vorsitz von Richter Reichhardt sieht Kutscheras Äußerungen über Homosexualität aber von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von vier Monaten zur Bewährung und eine Geldstrafe von 9000 Euro gefordert.
Wie berichtet, geht es um ein Interview mit dem Biologen, das 2017 auf dem Internetportal „kath.net“ veröffentlicht worden war. Kurz davor hatte der Bundestag die Ehe für alle beschlossen. Kutschera hatte unter anderem gesagt: „Sollte das Adoptionsrecht für Mann-Mann- beziehungsweise Frau-Frau-Erotikvereinigungen kommen, sehe ich staatlich geförderte Pädophilie und schwersten Kindesmissbrauch auf uns zukommen.“ Daraufhin waren acht Strafanzeigen aus dem ganzen Bundesgebiet gegen den Kasseler Professor eingegangen.
„Verengte Weltsicht“ eines Biologen
Vor der eigentlichen Urteilsbegründung holte der Vorsitzende Richter Reichhardt, der die Entscheidung mit zwei Schöffinnen fällte, zu einer längeren Vorbemerkung aus: Mit dem Urteil entscheide man nicht inhaltlich über die Richtigkeit der Aussagen des Angeklagten und auch nicht über seine wissenschaftliche Arbeit. Das sei für die Frage, ob er sich strafbar gemacht habe, unerheblich.
In dem Interview drücke sich eine „verengte Weltsicht“ eines Biologen aus, der sich in seinen Aussagen allein auf Fortpflanzung fokussiere. Die Betroffenheit und Empörung homosexueller Menschen durch Kutscheras Äußerungen halte man für legitim, so Reichhardt. Doch die freie Meinungsäußerung verliere ihren Schutz auch nicht dadurch, dass sie scharf oder verletzend formuliert sei.
Äußerungen als Meinungsbeitrag zu verstehen
Der Inhalt des Interviews, in dem der Biologieprofessor auch gesagt hatte, dass man Homosexuelle nicht diskriminieren dürfe, sei in seiner Gesamtheit zu betrachten, so der Richter. Die Äußerungen seien als Meinungsbeitrag zu einer seinerzeit geführten gesellschaftlichen Debatte zu verstehen, „wenn auch in einer äußerst verunglückten, eines Professoren unwürdigen Entgleisung in der Wortwahl“.
Staatsanwalt Enrico Weigelt, der in seinem Plädoyer keinen Hehl aus seinem Frust über das Vorgehen und die vermeintliche „Tendenz“ des Richters in dem Verfahren machte, sah Kutscheras Äußerungen eben nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Er sah den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt, indem die Gruppe der homosexuellen Menschen „beschimpft und böswillig verächtlich gemacht“ worden sei. Durch die derbe Wortwahl und den expliziten Bezug auf schwerste Straftaten seien Kutscheras Äußerungen geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Weigelt verwies auf die in den vergangenen Jahren gestiegene Zahl tätlicher Übergriffe auf Homosexuelle in Deutschland. „Worte wie die des Angeklagten können da ein Brandbeschleuniger sein“, so der Staatsanwalt. Ein Freispruch wäre da, als ob man das Feuerzeug reiche.
Verteidiger Markus Sittig, der in seinem Plädoyer ebenfalls auf die Meinungsfreiheit abgehoben hatte, zeigt zwar Verständnis für Kritik an den Äußerungen seines Mandanten. Aber er habe den Eindruck, es gehe den Gegnern gar nicht darum, „mit ihm zu streiten, sondern seine Meinung auszuschalten“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Katja Rudolph)