Kassel muss Kosten für Erhaltung der Schleuse selbst tragen

Kassel. Wenn die Fulda-Schleuse am Finkenherd weiterhin erhalten bleiben soll, muss Kassel tief in die Stadtkasse greifen. Denn vom Bund sind die nötigen drei Millionen Euro zur Sanierung der Stadt-Schleuse nicht mehr zu erwarten. Das jetzt vorliegende Rechtsgutachten haben Stadt und Bund als verbindlich anerkannt. Der Bund ist laut Gutachten raus aus der Finanzierung des Erhalts der Schleuse.
Jetzt hofft man im Rathaus auf eine Finanzspritze aus Wiesbaden. Die Stadt Kassel und das Land Hessen verfolgten im Hinblick auf die Schleuse das gleiche Ziel, sagt die aus Kassel stammende hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann, die selbst gern mit dem Motorboot ihrer Familie auf der Fulda unterwegs ist. „In gemeinsamen Gesprächen aller Beteiligten müssen jetzt alle erdenklichen Handlungsmöglichkeiten zur Rettung der Schleuse geprüft werden“, erklärt die Ministerin.
Seit Jahren ist umstritten, wer für die dringend nötige Sanierung der 103 Jahre alten Schleuse zahlen muss. Der Bund will die Stadtschleuse nicht grundhaft instand setzen, weil dies unwirtschaftlich sei. Denn die Fulda und ebenso die Oberweser sollen von dem bisherigen Wasserverkehrsweg zu einer „sonstigen Wasserstraße“ herabgestuft werden. Für eine solche Wasserstraße müssen keine Schleusen mehr betrieben und erhalten werden.
Die Stadt hatte sich bisher stets auf einen Vertrag aus dem Jahr 1952 berufen. Danach hatte die Stadt Kassel der Bundesrepublik Deutschland die Stadtschleuse unentgeltlich übereignet. Der Bund hatte sich vor 64 Jahren im Gegenzug verpflichtet, die Schifffahrtsschleuse zu unterhalten und ihren Betrieb sicherzustellen.
Ob dieser Vertrag wie erhofft den Rechtsgrund dafür liefert, dass der Bund auf Dauer dazu verpflichtet ist, den Betrieb, die Bedienung und die Unterhaltung der Schifffahrtsschleuse sicherzustellen, wurde durch das Rechtsgutachten jetzt verbindlich geklärt. Der Bund kann die Schleuse wie geplant aufgeben.
„Leider hat das Rechtsgutachten jetzt ergeben, dass sich aus dem Vertrag kein Anspruch auf Erfüllung gegen den Bund ableiten lässt“, erklärt Kassels Stadtkämmerer Christian Geselle (SPD). Die Stadt sehe sich gleichwohl in der Verantwortung, die Nutzung der Schleuse auch in Zukunft zu gewährleisten. Im Rathaus werde jetzt unter Einbeziehung der wassersporttreibenden Vereine, dem Bund und dem Land Land an einer Lösung gearbeitet, sagt Geselle.
Fulda-Schifffahrt und Wassersportvereine bangen um Existenz
Die drohende Stilllegung der Kasseler Schleuse würde sich desaströs auf die Fulda-Schifffahrt und die Wassersportvereine auswirken.
Schifffahrt
Karola Söllner, seit 1967 Leiterin des Unternehmens „Personenschifffahrt Söllner“, erlebt ein solches Szenario nicht zum ersten Mal. Die Schleuse habe schon häufiger vor der Stilllegung gestanden und sei letztlich doch weiter betrieben worden, so Söllner. Sie werde deshalb erst einmal abwarten. Gleichzeitig räumt sie jedoch ein, dass eine Schließung wohl das Aus für ihr Unternehmen bedeuten würde. Sie werde aber in jedem Fall im Oberwasser bleiben und bei einer Schließung nur noch kleinere Fahrten anbieten. Ob diese ausreichen, um finanziell überleben zu können, weiß Söllner nicht.
Dementgegen wäre die Rehbein-Linie, die zwischen Kassel und Hann. Münden fährt, nur in geringem Maß von einer Schließung betroffen, da das letzte verbliebene Schiff der Linie, die „Europa“, schon seit 2000 am Tanzwerder in Hann. Münden anlegt. Doch auch Werner Rehbein, für die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens zuständig, sieht in einer Schließung einen harten Schlag für alle betroffenen Unternehmen und Vereine.
Wassersportvereine
Die Vorsitzenden der Kasseler Wassersportvereine sind sicher, dass eine Schließung verheerende Auswirkungen auf sie hätte. Werner Graf, Vorsitzender des Nautic-Clubs Kassel, sagt: „Ohne Schleuse können wir unseren Verein dicht machen.“ Auch andere Vereine fürchten um ihre Existenz, sagen Karl-Heinz Rümenapp, Vorsitzender des Motor-Yacht Clubs Kassel und Holger Römer, Vorsitzender des Rudervereins Friedrichsgymnasium. Graf appelliert an den Stadtkämmerer, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden. Ohne den Nautic-Club gäbe es auch die traditionelle Lichterfahrt beim Zissel nicht mehr.
Torsten Gorski, Vorsitzender des Rudervereins Kurhessen-Cassel, sähe die Vereinskultur und den Wassertourismus durch eine Schließung nachhaltig gestört. Er schätzt, dass im Hafen etwa 50 neue Anlegeplätze geschaffen werden müssten. Dies sei unrealistisch. Auch Gäste wie Wanderruderer, die mit ihren großen Booten nicht mehr in Kassel einsetzen könnten, würden ausbleiben, so Gorski. Die finanziellen Einbußen hinsichtlich Kost und Logis taxiert er auf etwa 6000 Euro jährlich.
Jan Hörmann, Sprecher des Zweckverbands Kasseler Schifffahrt, sieht das Rechtsgutachten, das die Betriebs- und Erhaltungspflicht durch den Bund nicht anerkennt, kritisch. Ohne Schleuse würde die Bundeswasserstraße Fulda blockiert. Hörmann ist deshalb überzeugt, dass die Stadt mit allen Beteiligten schnell ein anderes Betreibermodell für die Schleuse realisieren muss. Er schlägt vor, die Schleuse auf Automatikbetrieb umzustellen und den Betrieb durch ehrenamtliche Schleusenwärter zu gewährleisten. Solche Betreibermodelle seien schon in Frankreich, England und Holland erfolgreich realisiert worden. „Die Kosten und Folgekosten sind tragbar“, erklärt Hörmann. Seiner Meinung nach bedürfe es keiner Totalsanierung der Schleuse, in erster Linie müssten die maroden Tore repariert werden.
Mehr zur Kasseler Schleuse erfahren Sie im Regiowiki der HNA.