KVG-Netzpläne: Nun wohl doch Debatte vor der Kommunalwahl

Kassel. Früher als geplant, nämlich noch vor der Kommunalwahl, wird sich die Kasseler Lokalpolitik mit der umstrittenen Netzreform von Bussen und Straßenbahnen befassen (müssen).
Anlass geben Anträge von Stadtverordneten-Fraktionen und Bürgereingaben, die am 1. Februar in der letzten Stadtverordnetenversammlung der laufenden Legislaturperiode auf der Tagesordnung stehen.
Laut Zeitplan sollte der Entwurf der Kasseler Verkehrsgesellschaft (KVG) erst nach Überarbeitung den politischen Gremien im März vorgelegt werden. Wie berichtet, hatte die KVG angekündigt, die rund 1000 Eingaben zu den „Kasseler Linien“ prüfen und gegebenenfalls einarbeiten zu wollen.
Bis zur Vorlage des überarbeiteten Entwurfs wollen aber nicht alle Fraktionen warten. CDU, Linke sowie Demokratie erneuern/Freie Wähler haben zur nächsten Stadtverordnetenversammlung Initiativen zur KVG-Reform eingebracht:
• CDU: Ihr Antrag zielt auf eine Aufforderung an den Magistrat ab, die Anbindung der Stadtteile an das ÖPNV-Netz weiterhin sicherzustellen. Die Ortsbeiratsvoten sollen dabei berücksichtigt werden.
• Linke: Mit ihrem Antrag soll die Stadtverordnetenversammlung die KVG mit einem grundsätzlich neuen Reformentwurf beauftragen. Dieser soll dem Ausbau des Nahverkehrs Priorität einräumen sowie die Ziele des Verkehrsentwicklungsplans und die Mindestanforderungen des Nahverkehrsplan einhalten.
• Demokratie erneuern/Freie Wähler: Nach ihrem Antrag soll die Stadt die KVG auffordern, die Reform zu überarbeiten. Begründung: Die Vorschläge dünnen vor allem das Bus-Angebot in den Stadtteilen aus und widersprechen damit den Vorgaben des Verkehrsentwicklungsplans.
• Bürgereingaben: Eine Eingabe will die KVG auffordern, die Buslinie 24 in der jetzigen Linienführung zu erhalten. Eine zweiten Eingabe bittet darum, die vorgesehene Streichung der Buslinien 12, 24 und 27 nicht umzusetzen.
Die SPD als größte Stadtverordnetenfraktion ist die einzige, die sich zur KVG-Reform noch nicht geäußert hat. Auf die vorliegenden Initiativen reagiert sie verhalten. Auf HNA-Anfrage erklärt jetzt Fraktionschef Dr. Günther Schnell, die SPD stehe „einer Befassung mit Änderungsanträgen bevor die Überarbeitung abgeschlossen ist“ kritisch gegenüber. „Erst wenn alle Fakten abschließend vorliegen, kann man eine seriöse Bewertung vornehmen.“
„Vorwahlkampftaktik“
„Alles andere ist Vorwahlkampftaktik und trägt dazu bei, die Nutzer des ÖPNV voreilig zu verunsichern“, ergänzt Christian Knauf als verkehrspolitischer Sprecher der SPD. „An solchen Spekulationen beteiligen wir uns nicht.“
Im Vorfeld hatte Gernot Rönz (Grüne) gefordert, die überarbeitete KVG-Vorlage müsse sich an Zielen des Verkehrsentwicklungs- und des Nahverkehrsplanes messen lassen. Die FDP erachtet es als nicht akzeptabel, dass damit statt einer Verbesserung eine Verschlechterung des ÖPNV-Angebotes erfolgen solle.
2017 sollen die Kasseler Linien starten. Darüber entscheiden wird die neue Stadtverordnetenversammlung.
KVG startet ab April Diskussion
Nach dem Abschluss der Bürgerbeteiligung zur Liniennetzreform hatte die KVG Ende des vergangenen Jahres eine positive Bilanz gezogen: Fast 1000 schriftliche Rückmeldungen, darunter von Einzelpersonen und Personengruppen, Ortsbeiräten, Firmen, Verbänden, Schulen und Vereinen, hatten das Unternehmen erreicht.
Der weitere Zeitplan sehe vor, bis März alle Anregungen auszuwerten und einen überarbeiteten Reformentwurf vorzulegen, teilte sagt KVG-Vorstand Dr. Thorsten Ebert mit. Es soll eine Dokumentation zu allen Stellungnahmen erarbeitet werden. Aus ihr solle hervorgehen, welche Hinweise berücksichtigt wurden. Zudem wird begründet werden, warum andere nicht aufgenommen werden. Es sei geplant, dass im April der politische Diskussions- und Entscheidungsprozess des überarbeiteten Konzepts startet.
Antwort auf Offenen Brief
Der Initiative „Nahverkehr für alle“ war auf einen Offenen Brief vom Dezember geantwortet worden, sagte KVG-Sprecherin Heidi Hamdad. Den Vertretern der Initiative sei mitgeteilt worden, dass auch Hinweise aus den Unterschriftenlisten sowie der Kritiker aufgenommen wurden. Nun werde geprüft, „inwieweit wir diese berücksichtigen können“, hieß es in dem Schreiben. Und weiter: „Die Prüfung läuft jetzt und benötigt die im Zeitplan aufgezeigte Zeit. Wir bitten um Verständnis, dass wir uns dazu erst wieder äußern möchten, wenn wir eine Einschätzung dazu entwickelt haben, ob und unter welchen Umständen die Anregungen berücksichtigt werden.“
Weiter Protest gegen Netzreform
Initiative „Nahverkehr für alle“ wünscht sich von KVG mehr Bürgerbeteiligung:
Wie reagieren Stadt und KVG auf den Bürgerprotest zur Netzreform? Die Diskussion sei vorerst beendet, die KVG bestehe auf das Einhalten ihres Zeitplans, wurde der Protestinitiative „Nahverkehr für alle“ mitgeteilt.
Vertreter der Initiative hatten im Dezember vor dem Rathaus demonstriert, bevor sie bei der Stadtverwaltung ihre Bürgereingaben gegen den Wegfall verschiedener Buslinien abgegeben hatten. Sie fordern, dass der Magistrat und die Stadtverordneten auf die KVG einwirken, damit diese die geplante Liniennetzreform überarbeite und die Streichung von Buslinien zurücknimmt.
Einen Monat zuvor hatten Vertreter von „Nahverkehr für alle“ der KVG 1600 Unterschriften gegen die Streichung der Buslinie 27 überreicht. Sie fordern, dass der Nahverkehr ausgebaut werden soll, sich aber nicht verteuern dürfe, sondern günstiger werden müsse.
Im Juni hatte die KVG ihren Entwurf für eine Liniennetzreform öffentlich gemacht. Die Kritik gegen die darin enthaltenen Streichungen von Buslinien und Haltestellen reißt seither nicht ab. „Es wurde uns mitgeteilt, dass wir im März erfahren, ob unsere Anliegen berücksichtigt werden“, sagt Violetta Bock von der Initiative. Sie und ihre Mitstreiter befürchten, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, ohne dass eine breite Bürgerbeteiligung stattgefunden hat. „Die Reaktionen zeigen, dass eine weitere Diskussion notwendig ist“, heißt es in einem offenen Brief der Initiative. Sie kritisiert, dass die KVG die Diskussion nun für beendet erklärt. Am Ausbau des Nahverkehrs dürfe nicht gespart werden. Alle Betroffenen müssten in die Fahrpreisgestaltung einbezogen werden, um die Attraktivität grüner Mobilität zu erhöhen, sagt Violetta Bock.
Man könne nicht mangelnde Auslastung thematisieren, ohne auf die Gründe einzugehen, die Menschen davon abhalten, Bus und Tram zu nutzen. Der Protest werde fortgesetzt. „Wir sammeln weiter Unterschriften und planen auch Demonstrationen.“
Die Initiative trifft sich dienstags, 19 Uhr, Stadtteilladen Rothe Ecke Naumburger Str. 20a (Bus 27), Kontakt: nahverkehr_fuer_alle@yahoo.de
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