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Rembrandt-Schau im Schloss Wilhelmshöhe weckt Erinnerungen an Säure-Anschlag

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Von: Bastian Ludwig

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Wertvollstes Gemälde Hessens: Der „Jakobssegen“ von Rembrandt nach dem Säure-Attentat.
Wertvollstes Gemälde Hessens: Der „Jakobssegen“ von Rembrandt nach dem Säure-Attentat. © Archivfotos: Carl Eberth/ Stadtarchiv Kassel (2), Hans-Joachim Baron, Franz Hug

Mit einer Ausstellung wird derzeit in Kassel an den Maler Rembrandt erinnert. Das weckt Erinnerungen an einen Säureanschlag auf Rembrandts Kunst im Schloss Wilhelmshöhe vor über 40 Jahren.

Mit der aktuellen Ausstellung „Kassel... verliebt in Saskia“ wird im Schloss Wilhelmshöhe das Werk des niederländischen Malers Rembrandt gefeiert, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 350. Mal jährt. Dies weckt Erinnerungen an einen Säureanschlag auf Rembrandts Kunst im Schloss Wilhelmshöhe vor über 40 Jahren. Damals wäre fast das wertvollste Kunstwerk Hessens, der Kasseler „Jakobssegen“, für immer zerstört worden. Die damalige Tat sollte der „Höhepunkt“ einer Attentats-Serie des Hamburger Kunstschänders Hans-Joachim Bohlmann werden.

Bereits im Sommer 1977 waren die Museumsmacher in Kassel in Alarmbereitschaft. Am 27. August 1977 war in der Hessischen Allgemeine zu lesen, dass sich die Staatlichen Kunstsammlungen Kassel (heute MHK) auf einen möglichen Säureanschlag vorbereiten. Der damals noch nicht enttarnte Kunstschänder Bohlmann hatte bereits wertvolle Kunstwerke im gesamten Bundesgebiet schwer beschädigt.

Der damalige Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen machte sich deshalb bei der Landesregierung stark dafür, dass im Schloss Wilhelmshöhe mehr Wachpersonal eingestellt wird und die wertvollsten Gemälde unter Glas kommen. Entweder kamen seine Forderungen in Wiesbaden zu spät oder die Verantwortlichen ließen sich zu viel Zeit. In jedem Fall gelangte Bohlmann am Vormittag des 7. Oktober 1977 mit einer kleinen braunen Glasflasche mit Schwefelsäure unbemerkt ins Schloss Wilhelmshöhe. Dort wollte er, wie er später der Kriminalpolizei gestand, sein „größtes Werk“ vollbringen.

Litt unter einer Persönlichkeitsstörung: Der Hamburger Kunstschänder Hans-Joachim Bohlmann.
Litt unter einer Persönlichkeitsstörung: Der Hamburger Kunstschänder Hans-Joachim Bohlmann. © Archivfotos: Carl Eberth/ Stadtarchiv Kassel (2), Hans-Joachim Baron, Franz Hug

Bereits am Vortrag war er nach Kassel gereist und hatte im Hotel „Schweizer Hof“ an der Wilhelmshöher Allee übernachtet. Aus Büchern wusste er von den Rembrandts im Schloss. Am nächsten Morgen betrat er gegen 10.30 Uhr die Gemäldegalerie. Die Säureflasche hatte er im Strumpf versteckt, wie er später den Ermittlern erzählte. Zunächst ging er eine Weile durch die Galerie, um sicherzustellen, dass er unbeobachtet war. Dann zückte er seine Flasche und zielte auf die Gesichter der Porträtierten.

Es traf nicht nur den „Jakobssegen“ aus dem Jahr 1656, der erst jüngst auf 100 Millionen Euro geschätzt wurde, sondern auch drei weitere Gemälde: Ein Selbstbildnis von Rembrandt aus dem Jahr 1654 und mit „Apostel Thomas“ von Nicolaes Maes und „Noli me tangere“ von Willem Drost zwei Werke von Rembrandt-Schülern. Anschließend ging Bohlmann schnurstracks zur Straßenbahn, fuhr zum Bahnhof und stieg dort in den Zug nach Hamburg. Gegen 12 Uhr wurde der Schaden bemerkt.

Dass der Täter nach dem elften Anschlag innerhalb eines halben Jahres gefasst werden konnte, ist einer Verquickung von Zufällen zu verdanken. Eine Aufseherin in der Gemäldegalerie konnte sich sehr gut an den mutmaßlichen Täter erinnern, der einen hellgrauen Anzug getragen hatte. Sie beschrieb ihn der Polizei detailreich. Einer ihrer Kollegen konnte sich zudem erinnern, dass er ein Pflaster am Hals trug.

Die Polizei vor Schloss Wilhelmshöhe: Am 7. Oktober 1977 verübte ein Hamburger Kunstschänder ein Säureattentat auf zwei Rembrandt-Werke und zwei Gemälde seiner Schüler.
Die Polizei vor Schloss Wilhelmshöhe: Am 7. Oktober 1977 verübte ein Hamburger Kunstschänder ein Säureattentat auf zwei Rembrandt-Werke und zwei Gemälde seiner Schüler. © Archivfotos: Carl Eberth/ Stadtarchiv Kassel (2), Hans-Joachim Baron, Franz Hug

Im Tross der Journalisten am Tatort war auch ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur. Weil er in Wilhelmshöhe keine Telefonzelle fand, um seinen Text samt Täterbeschreibung an sein Büro durchzugeben, fuhr er zum „Schweizer Hof“. Dort ließ ihn der Empfangschef telefonieren. Als dieser aufschnappte, wie der Täter aussah, erinnerte er sich an den Gast. Dieser hatte noch dazu auf der Anmeldung im Hotel seine echte Adresse in Hamburg angegeben. So konnte ihn die Polizei dort bereits einen Tag später festnehmen.

Der damals 40-jährige Täter war ein Frührentner, der an einer schweren Persönlichkeitsstörung litt. Er saß zunächst fünf Jahre in Haft, kam dann wieder frei und wurde rückfällig. 1990 kam er in die geschlossenen Psychiatrie und später wohnte er in einer therapeutischen Wohngruppe, bevor er abermals Kunst schändete und wieder in Haft kam.

2009 starb Bohlmann. Auf sein Konto gehen 56 beschädigte Kunstwerke. Der Gesamtschaden soll sich auf 130 Millionen Euro belaufen.

Langwierige Restaurierung: Vier Gemälde, hier das des Rembrandt-Schülers Nicolaes Maes, wurden beschädigt.
Langwierige Restaurierung: Vier Gemälde, hier das des Rembrandt-Schülers Nicolaes Maes, wurden beschädigt. © Archivfotos: Carl Eberth/ Stadtarchiv Kassel (2), Hans-Joachim Baron, Franz Hug

Die vier Kasseler Gemälde wurden sehr aufwendig restauriert. Die Kosten dafür beliefen sich auf über zwei Millionen Euro. Erst 2008 wurde die Restaurierung abgeschlossen. „Es handelt sich um den größten Schaden für die Kasseler Gemäldegalerie seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagt MHK-Sprecherin Lena Pralle. Für den geübten Betrachter seien die Schäden bis heute sichtbar.

Der Anschlag hatte aber auch positive Aspekte. So wurden etwa bei der Restaurierung des „Jakobssegens“ nachträgliche Veränderungen beseitigt, die durch Restauratoren des 19. Jahrhunderts entstanden waren. Zudem konnte das Bild „Apostel Thomas“, das lange als Rembrandt-Werk galt, dem Rembrandt-Schüler Maes zugeordnet werden.

Nach dem Anschlag von 1977 wurden die Sicherheitsvorkehrungen im Schloss Wilhelmshöhe verschärft: „Mehr Aufsichten, Alarmsicherung der Einzelwerke, Kameraüberwachung“, zählt MHK-Sprecherin Pralle auf. Zudem wurden die wichtigsten Gemälde der Sammlung sukzessive verglast.

VON BASTIAN LUDWIG

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