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Auftakt der Wunderheilermesse: „Die Leute glauben einfach alles“

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Von: Axel Schwarz

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Kleiner Kreis von Scharlatanerie-Gegnern: An einem Infostand am Rand des Holger-Börner-Platzes wurde diskutiert.
Umstrittene Messe von Alternativheilern: Die dreitägige Veranstaltung begann am Freitag im Kongress Palais.

Kassel. Zum Auftakt der umstrittenen Wunderheilermesse „Sprit of Health“ am Freitag im Kasseler Kongress-Palais hielt sich der Zuspruch von Besuchern wie auch von Kritikern in Grenzen.

Die angekündigte Gegendemonstration auf dem Vorplatz entpuppte sich eher als Mahnwache: Eine Handvoll Pseudomedizin-Kritiker hatte dort einen Info-Pavillon aufgebaut.

Dorthin kamen immer wieder Messeteilnehmer und Passanten, um zu diskutieren. In der Stadthalle indessen war eine kritische Auseinandersetzung mit den dort vorgestellten Methoden und Produkten einer esoterischen und gegen die Schulmedizin eingestellten Heilerzene offenbar nicht erwünscht: Berichterstatter verschiedener Medien erhielten keinen Zutritt oder wurden von Gelände verwiesen.

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Gesprächsbereiter zeigten sich einzelne Besucher draußen am Infostand. „Ich finde es gut, dass sie sich engagieren, aber sehen Sie bitte auch mal die andere Seite“, sagte etwa eine Dame mit badischem Zungenschlag. Sie seiüberzeugte Verwenderin des Mittels MMS: „Ich nehme täglich fünf Tropfen, und mir geht es doch gut dabei.“

Zu dem von Gesundheitsbehörden kritisierten Präparat, das industrieller Chlorbleiche ähnlich ist, hatten die Standbetreiber eine Versuchsanordnung mit zwei Gläsern aufgebaut: links ein unversehrtes Stück Schweinedarm in Alkohol, rechts dasselbe Material in Chlordioxid-Verdünnung, wie sie die MMS-Heiler propagieren. Dort hatte sich das Darmgewebe weitgehend aufgelöst.

Die MMS-Verwenderin hatte auf kritische Gegenreden ein entwaffnendes Argument parat: „Auch Galilei wurde ja für seine Erkenntnisse ausgelacht und verfolgt.“ Und habe dafür am Ende sterben müssen.

Die böse Pharmaindustrie

„Wer bezahlt Sie hierfür eigentlich?“, ging ein Kasseler die Messekritiker an und äußerte gleich seine eigene Vermutung: „Die Pharmaindustrie lügt und betrügt uns täglich!“ Als der Mann von den Standbetreibern wissen wollte, ob die sich überhaupt „mit Quantenphysik auskennen“ und zu Erklärungen ausholt, lachte ein älterer Herr, der zugehört hatte, prustend auf: „Hören Sie bloß auf!“ Er sei früher Physiklehrer gewesen und habe kein Verständnis, dass sich Fachfremde in so einer schwierigen Materie kompetent fühlten: „Schönen Tag noch.“

Alternativen Heilmethoden gegenüber prinzipiell aufgeschlossen ist nach eigenen Angaben Sylvana Pawelzik. Die Kasseler Massagetherapeutin hat sich am Freitag auf der Messe umgesehen und äußerte sich anschließend enttäuscht, dass kritische Fragen aus dem Publikum offenbar nicht erwünscht seien: „Wenn man da nachhakt, wird man bloß arrogant belächelt“, berichtete sie.

Bei einigem, was dort präsentiert wird, vermutet die gelernte Krankenschwester „einen Scientology-Hintergrund: Die sind so dermaßen nett und rhetorisch geschult, dass die Leute einfach alles glauben, was ihnen erzählt wird.“ Kontroverse fachliche Debatten könne man dort aber nicht führen.

"Die Politik muss auf Landesebene genauer hingucken, was bei solchen Veranstaltungen passiert“, forderte der SPD-Landtagsabgeordnete Timon Gremmels, der am Freitagmorgen bei den Gegnern der Wunderheilermesse vor der Stadthalle vorbeigeschaut hatte.

Gremmels sagte gegenüber der HNA, er halte die Veranstaltung im Kongress-Palais für problematisch: „Da wird mit den Gesundheitshoffnungen der Menschen Schindluder getrieben.“ Es müsse Aufgabe und Anliegen für die zuständigen Landesbehörden sein, „die Verbraucher vor so etwas zu schützen“.

SPD-Mann Gremmels ist Obmann und Arbeitskreisvorsitzender im Landtagsausschuss für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. „Wir werden uns dort auf jeden Fall noch mit der Problematik solcher Veranstaltungen beschäftigen“, sagte er.

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