Zeitzeuge erzählte in der Edertalschule über Stasi

Frankenberg. Musikgeschmack, Ordnungssinn und sogar Sexualleben - in den Berichten der Stasi finden sich viele intime Details. Das erfuhren die Schüler der Edertalschule bei einem Projekttag.
„Es ist ein wichtiger Teil der Geschichte den man nicht vergessen darf“, sagt Schülerin Laura Kreisz. Die Rede ist von der DDR und dem Ministerium für Staatssicherheit. Sie waren am Mittwoch Themen bei einem Projekttag für Oberstufenschüler.
Besonders begeistert sind die Schüler vom Vortrag des Zeitzeugen Gilbert Furian. „Was er erzählt, ist authentischer und persönlicher, als wenn man sich einfach nur Unterlagen anschaut“, sagt Lena Holzapfel. Kein Gemurmel, kaum Gähnen durchdringt die Stille in der Aula, als die Schüler Furian lauschen. Und das, obwohl der Vortrag mit anschließender Fragerunde 90 Minuten dauert.
Furian hat viele Erfahrungen mit dem Staatssicherheitsapparat der DDR machen müssen. Zum Verhängnis wurden ihm seine Gewohnheit relativ frei heraus seine Meinung zu äußern und seine Angehörigkeit zur Kirche. Ins Gefängnis brachte ihn jedoch ein Heft über Punks.
1961 wird er aus der Freien Deutschen Jugend ausgeschlossen, mit 21 Jahren wird er das erste Mal überwacht. Das Votum ist nicht positiv. Furian sei kirchlich stark gebunden, stehe dem Staat negativ gegenüber und sei außerdem ein Fan von etwas, das der Spitzel als „Biat-Musik“ bezeichnet. Von da an wird auch seine Post überwacht und viele weitere Berichte verfasst.
Aus seiner Akte liest Furian immer wieder vor. Gebannt hören die Schüler zu, mit welcher Detailverliebtheit die sogenannten informellen Mitarbeiter schrieben. Da wird dann doch auch mal gelacht. Etwa über Furians Unordentlichkeit und die Tatsache, dass seine damalige Frau nicht kochen kann. Oder auch darüber, dass er seine „Schutzmittel“ nach dem Geschlechtsverkehr einfach aus dem Fenster geworfen haben soll. Das allerdings sei das Pärchen über ihnen gewesen, sagt er heute in Frankenberg. „Da merkt man, dass man solchen Berichten nicht immer vertrauen kann.“.
Wieder ernst wird es, wenn er über seine Zeit im Gefängnis in Hohenschönhausen und Cottbus berichtet. Er spricht über die täglichen Verhöre, über die abgestumpften Wärter und über die irrationale Angst, die auch nach der Haft sein ständiger Begleiter war.
„Es ist unglaublich, was da alles passiert ist. Vieles weiß man gar nicht,“ erklärt die 19-jährige Laura Wolf. Solche Vorträge seien wichtig, denn so etwas dürfe nicht noch einmal passieren.
Der Projekttag ist laut dem Fachvorsteher Geschichte, Burkhard Wick, auch Teil der Demokratieerziehung. „Er soll zeigen, dass Demokratie so eben nicht funktioniert“. Die Auseinandersetzung mit dem Zeitzeugenbericht und die Arbeit an Materialien über das Ministerium für Staatssicherheit sollen den Schülern einen differenzierten Blick auf dieses wichtige Stück Geschichte ermöglichen.
Von Michaela Pflug