Ohne Motor bis zu den Wolken: HNA-Volontärin testet Segelfliegen
Edermünde. Beim Fliegerlager auf dem Flugplatz in Edermünde-Grifte treffen sich die Mitglieder des Niederhessischen Vereins für Luftfahrt zwei Wochen lang täglich, um das Segeln zu üben. HNA-Volontärin Carolin Hartung durfte mitfliegen und erlebte Kassel und den Edersee aus 2000 Metern Höhe.
Mit 100 Stundenkilometern rast der Segelflieger über das Gras, es holpert, das Cockpit vibriert. Wir heben ab. Dass ich gerade wirklich in einem Segelflieger sitze und mit jeder Sekunde zwölf Meter höher in die Luft steige ganz ohne Motor, kann ich gar nicht richtig glauben.
Vor dem Start mit Pilot Jürgen Kapahnke, der bereits seit den 1960er Jahren selbst fliegt, bekomme ich einen schweren blauen Rucksack auf. „Der Fallschirm ist nur fürs gute Gewissen“, erklärt mir Klaus-Dieter Ewald vom Verein. So richtig beruhigt mich die Aussage aber nicht. Im Gegenteil: Mein flaues Gefühl wird immer stärker.
Im Flieger werde ich von allen Seiten mit Gurten festgeschnallt. „Im Notfall einfach am Verschluss drehen, dann fallen alle Gurte raus“, erklärt Ewald. Für einen Notfall der anderen Art liegt eine blaue Brechtüte der Deutschen Lufthansa vor mir.
Wie eine Achterbahnfahrt
Ewald verschließt das Cockpit, mit einem Seil wird der 60.000 Euro teure Flieger mit dem Windenfahrzeug verbunden. Der Wagen fährt voran, kurz ruckt es im Flieger und wir rasen los. Als wir abheben, werde ich in den Sitz gedrückt. Mein Magen fühlt sich an wie bei einer Achterbahnfahrt. Am liebsten würde ich schreien, aber ich verkneife es mir. Stattdessen stoße ich nur ein kurzes „Oh Gott“ aus. Als es plötzlich laut anfängt zu piepsen, erschrecke ich mich. Aber das dauerhafte Piepsen signalisiert dem Piloten nur, wie stark die Aufwinde sind.
Als wir etwa 300 Meter Höhe

erreicht haben, wird es ruhiger und meine geschwitzten Hände wieder etwas trockener. Auf den Anzeigegeräten vor mir sehe ich zum Beispiel, wie schnell und hoch wir fliegen. „Die Thermik ist super heute, wir können bestimmt bis auf 2000 Meter steigen“, sagt Kapahnke. Aber genau planen könne man einen Segelflug nie. „Genau das ist für mich die Herausforderung“, erklärt der 17-jährige Flugschüler Niklas Botte. „Man muss einfach hoffen, dass es klappt.“ Einmal die Woche trifft sich Niklas mit seinen Vereinskollegen auf dem Flugplatz.
Unter mir sehe ich den Herkules, den Bergpark, danach fliegen wir zum Edersee. Von Wolke zu Wolke hangeln wir uns mit dem 350 Kilogramm schweren Flieger. Denn dort, wo Wolken sind, ist auch warme Luft, die das Flugzeug trägt, erklärt der Pilot. Unter jeder Wolke kreisen wir, um weiter zu steigen. 2000 Meter sind erreicht. Ein unglaubliches Gefühl. Immer wieder muss ich mir bewusst machen, dass wir ganz ohne Motor fliegen.
Kurze Zeit später sind wir wieder

über Kassel. Aber für eine Landung auf dem Flugplatz in Edermünde ist der Flieger noch zu hoch. Deshalb zieht Kapahnke den Hebel neben sich zurück und fährt die Störklappen aus, damit wir an Höhe verlieren. Präzise steuert der Pilot auf den Landeplatz zu, ich kralle mich an den Gurtschlaufen fest und wir setzen auf. Es ruckelt wie beim Start, als wir über die Wiese brausen. Dass ich fast ohne technische Hilfe über eine Stunde lang in der Luft gesegelt bin, kann ich immer noch nicht glauben. Genau das reizt Kapahnke: „Wenn wir erst einmal oben sind, nutzen wir nur die Natur. Das ist das Schönste daran.“