Selbsthilfegruppe bietet 300-Kilo-Frau Unterstützung an

Gudensberg/Körle. Elke Döring weiß, was es bedeutet, zu viel zu wiegen. Sie war selbst sehr stark übergewichtig, und sie fragt sich, wie es im Fall der 300-Kilo-Frau aus Gudensberg so weit kommen konnte. Diese hatte am Sonntag per Kran aus ihrer Wohnung gerettet werden müssen.
„Ich würde sehr gerne Kontakt mit der jungen Frau aufnehmen“, sagt Döring, die in Körle lebt und Leiterin der Adipositas Selbsthilfegruppe in Melsungen ist.
Selbst hat sie über 50 Kilo abgenommen. Ein medizinischer Eingriff half ihr dabei, sie hatte zunächst ein Magenband und jetzt einen Schlauchmagen.
Auch wenn sie noch weit von der 300-Kilo-Marke entfernt war, weiß Döring, wie es ist, wenn Stühle wie Mausefallen wirken und jeder Schritt schwer fällt. Die Ess-Sucht hatte sie im Griff. Fest. Irgendwann ist man nicht mehr „nur dick“. Dann ist man krankhaft fett. Fettsüchtig. Adipositas nennen das die Ärzte.
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Döring hat schon oft erlebt, dass das soziale Netz in solchen Fällen versagt hat. Klar sei, dass es viele Gründe dafür gebe, warum ein Mensch so sehr zunimmt.
„Wenn jemand 300 Kilo wiegt, dann bekommt er das nicht mehr alleine in den Griff.“
Oft sei es ein Leidensweg, der weit vor dem Übergewicht begonnen habe. Klar sei aber auch, dass es mittlerweile viele Möglichkeiten gebe, etwas dagegen zu tun. Und damit meint sie nicht einfach nur Diäten. „Wenn jemand 300 Kilo wiegt, dann bekommt er das nicht mehr alleine in den Griff.“ Die Betroffenen benötigten viel mehr medizinische Hilfe. Es geht um mehr als um einen Eingriff, um bald danach schöner zu sein. Es geht um Lebensqualität. Um Selbstwertgefühl. Und es geht um eine Krankheit. „Wir futtern uns nicht einfach voll“, sagt Döring, und der bittere Ton in ihre Stimme lässt erahnen, wie oft ihr genau das schon vorgeworfen wurde.
„Adipositas ist eine Krankheit, auch wenn das von Normalgewichtigen oft nicht erkannt wird.“ Es gebe immer psychische und physische Ursachen. Irgendwann kommen Frust und verletze Eitelkeit hinzu. Schnell wachse da der Wunsch nach Veränderung. Dennoch: Operationen sollten der letzte Ausweg sein.
Hilfe angeboten
Dann erzählt sie von einem Leben voller Einschränkungen. Von Beklemmungen und davon, sich nicht mehr vor die Tür zu trauen. Von Diäten. Davon, dass sie Meisterin darin wurde, sich selbst zu belügen.
Dieser Kreislauf müsse durchbrochen werden. Der Frau aus Gudensberg bietet Elke Döring Unterstützung an. „Es kann zu Beginn schon etwas bewirken, wenn sie im Bett damit anfängt, ihre Arme zu bewegen und immer wieder einen Luftballon fängt.“
Döring hofft, dass ihr Telefon bald klingelt und die Gudensbergerin dran ist.
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Von Maja Yüce
Hintergrund
Dramatische Situation denkbar
Diesmal konnte die Feuerwehr die stark übergewichtige Frau aus dem Fachwerkhaus noch rechtzeitig herausholen, doch bei einem Brand oder bei einem lebensbedrohlichen Notfall hätte die Situation dramatisch enden können.
„Die Feuerwehr könnte schneller helfen, wenn die Frau statt in einem oberen Stockwerk im Erdgeschoss wohnen würde“, sagt David Zerbes, Leiter des Hauptamtes der Stadt Gudensberg und zuständig für die Feuerwehren. Das sei vor allem im Interesse der Frau, aber auch in dem der Rettungskräfte. „Die Feuerwehrleute helfen ehrenamtlich und setzen bei solchen extremen Krankenstransporten auch ihre Gesundheit aufs Spiel“, merkt Zerbes an.
Es war bereits das zeite Mal, dass die Feuerwehrleute der Frau zur Hilfe kamen. Bereits vor zwei Jahren habe man ihr aus dem Haus geholfen. Nun hoffe man aber erstmal, dass es ihr bald besser gehe. (may)