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Neues Museum in Friedland: Vom Stall zum Tor zur Freiheit

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Von: Heidi Niemann

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Zeiteise: Kurator Joachim Baur vor einer Wand mit Fotografien von Kindern, die in den Wirren des zweiten Weltkriegs von ihren Familien getrennt wurden.
Zeiteise: Kurator Joachim Baur vor einer Wand mit Fotografien von Kindern, die in den Wirren des zweiten Weltkriegs von ihren Familien getrennt wurden. © Foto: Niemann

Friedland. Besucher können die Geschichte des Grenzdurchgangslagers Friedland hautnah erleben. Der erste Abschnitt eines neuen Museums wird am dritten März-Wochenende eröffnet.

Eine Puppe, ein Brustbeutel, ein Bolzenschneider, ein Koffer, eine Unterhose - derartige Gebrauchsgegenstände erwartet man nicht unbedingt in einem Museum. Am 18. März öffnet in Friedland ein Museum, in dem solche Gegenstände zu den beeindruckendsten Ausstellungsstücken gehören.

Die scheinbar unscheinbaren Dinge erzählen von dramatischen Entwicklungen der Weltgeschichte und von den Einzelschicksalen der mehr als vier Millionen Menschen, für die das Lager Friedland zum „Tor zur Freiheit“ wurde.

Das neue Museum ist im historischen Bahnhof untergebracht, der im September 1945 zur ersten Anlaufstation für Flüchtlinge, Heimkehrer und Vertriebene wurde. Im ersten Jahr nach der Gründung des Lagers trafen dort 500 Sonderzüge ein. Immer, wenn ein Zug einfuhr, läutete die Glocke so lange, bis alle im Lager angekommen waren. Es gibt wohl kaum ein Museum, das so eng mit der aktuellen Realität und Weltpolitik verknüpft ist: Direkt vor dem Museum halten die Züge, in denen immer noch täglich neue Flüchtlinge ankommen.

Dauerausstellung

Die Dauerausstellung unter dem Titel „Abschied - Ankunft - Neubeginn“ erzählt die Geschichte des Lagers und berichtet von den individuellen Erfahrungen von Flucht, Vertreibung, Migration und Integration. Erste Station ist die ehemalige Schalterhalle. Hier bekommt man einen Eindruck von den gewaltigen Bevölkerungsverschiebungen 1945. Die collagenartige Präsentation spiegelt die chaotischen Zustände zum Ende des Krieges wider.

Beim Rundgang wird vor allem eines deutlich: Friedland ist ein Ort, an dem Menschen und Institutionen enorme Herausforderungen bewältigt haben.

Allein in den ersten drei Monaten des Lagers trafen dort 550.000 Menschen ein. Zunächst wurden sie in leerstehenden Schweineställen untergebracht.

Im Oktober 1945 verfügte die britische Besatzungsbehörde, dass alle Neuankömmlinge registriert werden müssen. Trotz zerstörter Infrastruktur gelang es, den riesigen Ansturm zu bewältigen und in geordnete Bahnen zu lenken - ganz ohne Computer.

Karteikästen

In einem Raum reihen sich Karteikästen bis unter die Decke. Sie symbolisieren die Arbeit des DRK-Suchdienstes, der dabei half, in den Kriegswirren auseinandergerissene Familien zusammenzuführen und vermisste Angehörige wiederzufinden.

Zeitzeugen und besondere Exponate

Die Ausstellungsmacher haben neben Objekten, Fotos und Filmen auch zahlreiche Tondokumente von Zeitzeugen zusammengetragen. „Es ist das größte Zeitzeugenprojekt in der Geschichte Niedersachens“, sagt Oliver Krüger, Projektleiter des niedersächsischen Innenministeriums.

Ein Mann erzählt beispielsweise, wie er als Junge mit seiner Mutter regelmäßig nach Friedland gefahren ist in der Hoffnung, dass sein Vater zurückkommt. Er wartete vergebens: Als die Busse mit den aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft heimkehrenden Soldaten eintrafen, war sein Vater nie dabei. Fotos, Tondokumente und Wochenschau-Ausschnitte vermitteln einen Eindruck von der Begeisterung, mit der die letzten Soldaten 1955 empfangen wurden. „Die Ankunft der letzten Spätheimkehrer war auch ein großes Medienereignis“, sagt der Kurator des Ausstellungsprojekts, Joachim Baur.

Im Obergeschoss wird deutlich, wie Friedland zu einem Indikator für die Weltlage wurde. Millionen von Aussiedlern aus Osteuropa, tausende Flüchtlinge aus Ungarn, Chile, Vietnam und Sri Lanka - für sie alle war das Lager ebenso ein Ort des Neuanfangs wie für die Einwohner des DDR-Grenzortes Böseckendorf, die in einer konzertierten Aktion in den Westen flohen. Der Bolzenschneider, mit dem sie den Zaun durchtrennten, ist in einer Vitrine ausgestellt.

Besonders eindrucksvoll ist ein kleiner Raum, in dem sieben Habseligkeiten zu sehen sind, die Menschen auf der Flucht bei sich trugen. Ein Exponat ist die Unterhose eines syrischen Flüchtlings. Die Unterhose hatte eine angenähte Geheimtasche, in der er sein Geld versteckte.

Bürgerfest am Wochenende

Anlässlich der Eröffnung des Museums Friedland findet am Samstag und Sonntag, 19. und 20. März, jeweils ab 11 Uhr ein Bürgerfest statt. Besucher können bei freiem Eintritt an zahlreichen Museumsführungen teilnehmen.

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