Circus Roncalli in Göttingen: Weltklasse-Künstler treffen sich

Göttingen. Kraft und Gefühl, Artistik und Hunde-Dressur: Das kombinieren Kelly und Alexandra Saabel sowie Jean Rodrique Funke auf beeindruckende Weise noch bis Sonntag im Circus Roncalli auf dem Schützenplatz.
Sie sind sich so ähnlich, und alle lange im Spitzen-Zirkus-Geschäft, aber getroffen haben sich die Saabels und Rodrique Funke nicht in Paris, London oder Monte-Carlo, sondern in Göttingen. Hier treten sie in der Roncalli-Show Salto Vitale auf. Funke ist ein Teil des Weltklasse-Trapez-Duos „Sorellas“ und die Saabels entstammen einer alten Zirkusfamilie, die seit Generationen Großartiges abliefert, wie die Handstand-Akrobatik von Kelly & Alexandra.
Auf den Hund gekommen
Während die Saabels schon lange mit Hunden leben und arbeiten, mit ihren Huskies eine turbulente Petersburger Schlittenfahrt- und Sprungshow zeigen, ist Rodrique Funke noch nicht so lange auf den Artisten-Hund gekommen.
„Ich hatte immer Hunde, aber die Initialzündung kam 2009 beim Zirkus Knie in Basel“, schildert der Musterathlet, der fasziniert von der Art und Weise war, wie Freddy Knie mit den Tieren umging. „Er lässt den Tieren Freiraum, viel Zeit. Es kann fünf Jahre bis zur Auftrittsreife dauern.“
Funke hat sich von Knie viel abgeschaut und wusste sofort: „Das will ich machen.“ Heute genießt er die Auftritte mit Terrier Fredy. Der aber hat im Moment keinen Bock auf Manege. „Er will nicht arbeiten“, sagt Funke und schaut auf die B-Besetzung, die neben seinem Stuhl liegt: Lulu heißt das Double. Und Lulu ist ganz heiß auf die Dressur und die Manege, gönnt sich die Show und ermöglicht Fredy eine Pause.
„So ist das, die Tiere bestimmen was geht und was nicht.“ So sei das auch in der Show. „Ich passe mich an“, sagt Funke lächelnd. Alexandra Sabell hört zu und nickt. „Man muss dann einfach locker bleiben, und abwarten, was passiert“, sagt sie. „Vor allem, wenn acht Hunde, die ihre eigene Ordnung und Launen haben, dabei sind.“
Freiräume lassen: Außergewöhnliche Gedanken sind das, für Akrobaten, die sonst den Gleichklang, die Exaktheit, ja Perfektion anstreben. Denn sonst droht für Rodrique Funke am Trapez sogar der Absturz, die Verletzung.
Eine Erholung ist die Hunde-Dressur aber nicht: Im Kopf locker, aber auf keinen Fall nachlässig sein, das gilt für die Saabel-Sisters und Rodrique Funke bei den Auftritten mit den geliebten Tieren. „Man ist total konzentriert und danach im Kopf genauso leer wie nach einer Trapez-Nummer“, sagt Funke, für den die Auftritte mit Lulu und Fredy pure Freude sind. Mehr Zeit hatte er einst, als er mit Partner Christophe Gobet nur als Trapez-Duo auftrat. „Die Hunde fordern dich, den ganzen Tag.“ Wie zum Beweis springt Lulu auf und hüpft umher.
„Wir und unsere Tiere sind eins“, sagt die 17-jährige Kelly, die bei der Akrobatik auch zu einer Einheit mit ihrer älteren Schwester verschmilzt. Dazu tragen die wunderbaren Kostüme bei, die übrigens Alexandra entwirft und schneidert. „Das ist meine Leidenschaft.“ Die Passion – neben den Tieren, der Akrobatik und dem Zirkusleben überhaupt.
„Zirkus musst Du lieben, sonst geht es nicht“, sagt Alexandra. „Artist werden und sein tut weh.“ Denn das schöne Zirkusleben ist auch ein hartes: „Wir trainieren jeden Tag – mit zunehmendem Altern nicht weniger, aber anders. So ist mehr Pflege nötig“, sagt der 36-jährige Funke. Spaß aber macht ihm die Arbeit ungeheuer: „Diese Entfaltungsmöglichkeiten hat man nur im Zirkus.“
Von Thomas Kopietz