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Tumulte im Stadtrat wegen geplanter Abschiebung von Roma-Familien

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Familien nicht auffindbar: Am Mittwoch scheiterte die Abschiebung in Göttingen im Rosenwinkel. Foto: pid
Familien nicht auffindbar: Am Mittwoch scheiterte die Abschiebung in Göttingen im Rosenwinkel. Foto: pid

Göttingen. Eine Debatte über die gescheiterte Abschiebung und das Untertauchen zweier Roma-Familien aus Göttingen hat am Freitagabend zu Tumulten im Stadtrat geführt.

Heftige Kritik übte auch die Göttinger Linke und die Gesellschaft für bedrohte Völker.

Nach lautstarken Protesten von etwa 100 Zuschauern musste die Sitzung für eine halbe Stunde unterbrochen werden.

Die beiden Familien leben seit 17 Jahren in Deutschland - zwölf ihrer 13 Kinder wurden hier geboren. Nachdem Gerichte ihre Anträge auf Abschiebeschutz abgewiesen hatten, sollten sie am Mittwoch ausgewiesen werden. Die Familienmitglieder hatten ihre Wohnungen jedoch vorher verlassen und sind seitdem nicht auffindbar.

In der Ratssitzung forderten Grüne, Piraten und Linke die Stadtverwaltung und Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) auf, den Familien eine weitere Duldung für zunächst ein Jahr zu erteilen.

SPD, CDU und FDP setzten jedoch mit Mehrheit durch, der Antrag wurde von der Tagesordnung gestrichen. Dagegen protestierten Zuschauer, in dem sie Transparente ausrollten und Sprechchöre anstimmten.

Mehrere Ratsherren verließen aus Protest gegen die Absetzung des Themas den Saal und schlossen sich einer spontanen Demonstration an.

Dabei bezeichnete es der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker, Tilman Zülch, als „unendliche Schande, deutsche Kinder zu deportieren“. Göttingen mache sich „zum Erfüllungsgehilfen einer unmenschlichen Politik“ gegenüber langjährig geduldeten Flüchtlingen und nehme dort geborenen und aufgewachsenen deutschsprachigen Kindern jegliche Zukunft.

Für die Göttinger Linken ist die Entscheidung gegen den Antrag von Grünen, Piraten und ALG ein „Bärendienst für Meinungspluralität und gelebte Demokratie“. Lediglich formalistisch auf einen Antrag einer Ratsminderheit und vielmehr noch auf das Anliegen vieler, insbesondere junger Menschen zu reagieren und sich so aus der Verantwortung zu stehlen, ist aus Sicht der Linken „schäbig und kontraproduktiv für alle Bemühungen, etwas gegen die vielzitierte Politikverdrossenheit zu tun“, sagte Gerd Nier.

Was die vielen anwesenden jungen Menschen für sich aus diesem „Lehrstück in Sachen Demokratie“ ziehen, könne man sich ausmalen. Den Unmut und ihr Unverständnis hätten sie unmittelbar, lebhaft und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. „Darüber haben sich etliche Ratsmitglieder empört. Aber wer in einer solchen Angelegenheit keine Emotionen zuzulassen will, leidet wohl selbst an Gefühlskälte“, sagt Nier.

Auch die Jusos Göttingen sind „wütend“ darüber, dass die SPD-Fraktion mit CDU und FDP gegen die Befassung des Antrags gestimmt hatten. Sie kritisierten auch die „inhumanen Abschiebungen in Niedersachsen“ und forderten von der SPD „eine klare Haltung gegen Rassismus, Abschiebung und Fremdenfeindlichkeit“. (epd/tko)

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