Sonst sieht er seinen Sohn nicht mehr: Zimmer für Vater gesucht

Baunatal. Wenn sich Eltern trennen, ist das ein Schock für die Kinder. Noch schwerer verkraften sie es, wenn nach der Scheidung die Mutter oder der Vater weit wegziehen muss.
Dann werden Treffen immer spärlicher, die Bindung steht auf dem Spiel.
So ein Schicksal droht jetzt auch dem zweijährigen Ole aus Baunatal (alle Namen von der Redaktion geändert). Seit einiger Zeit lebt er schon mit der Mutter Tanja in der VW-Stadt. Hier hat Ole immerhin eine Oma, eine Tante und einen Onkel - aber keinen Papa. Und Ole leidet darunter.
500 Kilometer entfernt
Zuvor lebte die Familie mit dem Vater Markus in Lindau am Bodensee - das war noch vor der Trennung. Schlimm genug, dass es überhaupt zum Bruch der Eltern gekommen ist. Doch jetzt droht auch noch die Bindung zwischen Ole und seinem Papa zu kippen. Er wohnt einfach zu weit weg - 500 Kilometer.
Das Familiengericht hat geregelt, dass Ole den Vater nur einmal monatlich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils drei Stunden sehen darf. Jedoch sind 500 Kilometer einfach zu weit, um nach dem ersten Tag für nur eine Übernachtung wieder nach Lindau zu fahren. So schlief er bislang meist im Auto irgendwo auf einem Parkplatz in Baunatal. Als Krankenpfleger verdient er zu wenig, als dass er sich jedes Mal ein Hotelzimmer nehmen könnte.
Sohn lange nicht gesehen
Inzwischen hat er seinen Sohn seit zwei Monaten nicht mehr gesehen. Zu Ole hat er gesagt, dass er krank ist. Doch er spürt, dass er ihn bald wieder treffen muss - bevor ihn Ole ganz vergisst.
„Für Kinder wie für Väter ist es schwer, wenn plötzlich der Kontakt komplett wegzubrechen droht“, sagt Annette Habert. Seit 2008 leitet sie die bundesweit aktive Initiative „Mein Papa kommt“. Ziel der Einrichtung ist es, Trennungskindern den Kontakt zu weit weg lebenden Vätern weiterhin zu ermöglichen. „Kinder brauchen Bindungssicherheit, erst recht wenn sie zwei Elternhäuser haben“, sagt Habert. „Das gilt auch für Ole.“
Und so ist sie nun auf der Suche nach einer Bleibe für den Vater Markus in Baunatal. „Wir wären glücklich, wenn sich eine Familie, ein Ehepaar oder eine Wohngemeinschaft fände, um für diesen jungen Vater einmal im Monat kostenlos ein Zimmer zur Übernachtung zur Verfügung zu stellen“, sagt Habert. Wichtig sei, dass das Engagement ehrenamtlich sein sollte. „Wir selbst sind nur eine gemeinnützige Gesellschaft, die komplett auf Spenden angewiesen ist.“ Interessenten könnten sich jederzeit melden und mehr Infos einholen.
Prämierte Arbeit
Vielen Hundert Familien hat „Mein Papa kommt“ auf diese Weise schon helfen können. Dafür wurde die Initiative für ihre „Arbeit für multilokale Familien“ bereits von Bundeskanzlerin Angela Merkel prämiert. „Es braucht nicht viel, damit Kinderträume wahr werden. Und darum ist ,Mein Papa kommt’ entstanden“, sagt Habert.
Die Initiative "Mein Papa kommt"
Die Initiative „Mein Papa kommt“ ist ein Projekt der gemeinnützigen „Flechtwerk 2+1 gGmbH“ mit Hauptsitz in München. Aktuell unterstützt sie bundesweit monatlich 468 Eltern. Gleichzeitig engagieren sich 713 ehrenamtliche Gastgeber mit kostenfreien Übernachtungsangeboten am Wohnort der besuchten Kinder. In Kassel und im Landkreis werden derzeit pro Monat neun Kinder besucht, zwölf Väter fahren aus dem Gebiet Kassel zu ihren Kindern in die umgekehrte Richtung in andere Städte Deutschlands.
Für Eltern werden individuelle pädagogische Schulungen angeboten, um die Bindungssicherheit der Kinder zu fördern. In anderen Städten existieren bereits Kooperationen mit Kindergärten und Eltern-Initiativen, wo die Eltern am Wochenende die frei stehenden Räume nutzen können. Aktuell sucht die Initiative „Mein Papa kommt“ auch für diese „Kinderzimmer auf Zeit“ noch einen Kooperationspartner in Kassel.
www.mein-papa-kommt.de