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Flüchtlingsdebatte in Lohfelden: Lübcke ließ sich provozieren

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Von: Boris Naumann, Peter Ketteritzsch

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Die Bürgerversammlung in Lohfelden: Dabei war auch Michael Viehmann von der Kagida (Zweiter von rechts), gegen den ein Verfahren wegen des Verdachts auf Volksverhetzung anhängig ist.
Die Bürgerversammlung in Lohfelden: Dabei war auch Michael Viehmann von der Kagida (Zweiter von rechts), gegen den ein Verfahren wegen des Verdachts auf Volksverhetzung anhängig ist. © Foto: Naumann

Lohfelden/Kassel. Noch bevor Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke (CDU) am Mittwochabend bei der Bürgerversammlung in Lohfelden ans Rednerpult trat, hatten sich im Saal Anhänger der rechtspopulistischen Kagida Plätze gesichert.

Nicht nur deren Chef Michael Viehmann war da (gegen ihn ist noch ein Verfahren wegen des Verdachts auf Volksverhetzung anhängig). Auch hatte er Gesinnungsgenossen mitgebracht. Ein Teil saß direkt vorm Rednerpult, andere hatten sich, so Lohfeldens Bürgermeister Michael Reuter (SPD), „im Saal verteilt“.

Damit nahm das Schicksal seinen Lauf. Lübcke

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Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke (CDU)

 begann seinen Vortrag, holprig und oft mit unklaren Sätzen – und wurde von den Kagida-Leuten aus der ersten Reihe mehrfach beleidigt und provoziert – wie mit „Scheiß Staat“ oder mit „Du armer Kerl“, als sich Lübcke für seine angeschlagene Stimme entschuldigte. Irgendwann platzte ihm der Kragen und er sagte seinen verhängnisvollen Satz: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann jederzeit dieses Land verlassen“. Und das sagte er dem ganzen Publikum, ohne es vorher darüber informiert zu haben, dass er damit nur die Kagida-Anhänger meinte.

Als dann die Fragerunde begann, standen erneut – nicht nur, aber oft – Kagida-Leute am Mikrofon. Ihre Beiträge erzeugten eher eine Stimmung der Angst, als dass sie konstruktiv das Thema bereicherten. „Ihre Anwesenheit hat alle vor Ort überfordert“, sagt Achim Albrecht, Ex-Lehrer an der Offenen Schule Waldau. Er hatte, wie die meisten, die Versammlung als interessierter Bürger mitverfolgt.

Doch dann sei die Stimmungsmache der Rechtspopulisten stark in den Vordergrund gerückt. Albrecht: „Die tun so, als breche das große Unglück über uns herein. Dabei sind jene vom Unglück gezeichnet, die zu uns kommen.“ Gegen Ende der Versammlung hatten die Kagida-Leute dann schon den Saal verlassen.

Lübcke führte seinen Vortrag zu Ende und machte auf die Koordinierungsstelle für Ehrenamtliche Helfer und Flüchtlinge aufmerksam. Er dankte allen, die ihre Hilfe anbieten wollen – es waren immerhin noch 200.

RP erhielt viele Beleidigungen - Polizei prüft E-Mails

Nach den Ereignissen in der Lohfeldener Bürgerhalle am Mittwoch überrollte das Regierungspräsidium (RP) eine Welle von „Krawall-E-Mails“, wie RP-Sprecher Michael Conrad sagt. „Das alles ist organisiert“, schätzt er die Situation ein. In Spitzenzeiten seien 80 bis 90 E-Mails mit zum Teil heftigen Beleidigungen eingegangen. „Meist nehmen sie Bezug auf die umstrittene Äußerung des RPs Lübcke in der Bürgerversammlung am Mittwoch in Lohfelden.“

Viele der Mails seien inzwischen an die Polizei weitergeleitet worden. „Wir werden nun deren Inhalt auf strafrechtlich relevante Äußerungen genau überprüfen“, sagt Polizeisprecher Torsten Werner. Auch die Staatsanwaltschaft habe die Mails bereits zur Sichtung erhalten. Todesdrohungen seien bislang nicht dabei gewesen. „Aber schon Gewaltandrohung ist strafbar“, sagt Werner.

Lübcke selbst habe noch nicht Anzeige wegen der E-Mails erstattet. Der kurzfristig eingerichtete Personenschutz für den Regierungspräsidenten sei wieder aufgehoben.

Das sagte Lübcke in Lohfelden

Dr. Walter Lübcke: „Ich bin stolz drauf, dass wir als Regierungspräsidium mit der Mannschaft, mit den Ehrenamtlichen hier, dazu beigetragen, da danke ich aber auch den Schülern, was ich in der Zeitung gesehen habe, und den Lehrern. Ich hab mich hier mal für die Schule mal eingesetzt, dass wir auch das in der Schule weitergeben, trägt auch Früchte davon, dass wir eine tolle Schule haben, dass wir mit Kirchen, die eine Wertevermittlung haben, wo wir sagen, es lohnt sich in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten. Und wer diese Werte nicht vertritt, kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen...“. Buhrufe aus dem Publikum: „Das ist ja unglaublich“, „Pfui“, „Verschwinde“.

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