Braunkohleabbau unterm Heiligenberg: Ein Bergmann berichtet

Gensungen. Fast 400 Jahre lang wurde unter dem Heiligenberg bei Gensungen Braunkohle abgebaut, die Zeche schloss 1953.
Glasklares Quellwasser dringt aus dem ehemaligen Oscar-Stollen. Der ist schon lange nicht mehr begehbar. Kaum zu glauben, dass die Bergleute einst durch dieses enge Loch Tag für Tag in den Heiligenberg gingen, um Kohle abzubauen.
Manchmal dauerte es bis zu 30 Minuten, bis man am Arbeitsplatz war. Daran erinnert sich Karl Alter (93) noch gut. Er hat bis zur Schließung fünfeinhalb Jahre in der Zeche Heiligenberg gearbeitet und ist der letzte noch lebende Bergmann aus Gensungen. Im Stadtarchiv an der Poststraße in Gensungen wird die Bergbaugeschichte lebendig gehalten. Sie ist das Thema des Tages der offenen Tür am Sonntag, 18. Januar, ab 14 Uhr. Die ehrenamtlichen Archivare haben viele Unterlagen über das braune Gold im Heiligenberg gesammelt.

Der Staat, Privatleute, zeitweilig eine englische Gesellschaft, das Traditionsunternehmen Henschel und Sohn und zuletzt die Preußen Elektra betrieben den Bergbau. Oscar Robert Henschel (1899 - 1982) leitete von 1924 bis 1957 in der sechsten Generation das einstige Unternehmen von Weltrang - daher der Name Oscar-Stollen.
„Die Arbeit in der Zeche war schwer, aber sie hat mir gefallen, und sie brachte guten Lohn”, sagt Karl Alter. Der Stollen Richtung Langenwald führt nach seinen Worten bis zu 2000 Meter in Richtung Kiesecks-Spich in der Gemarkung Beuern. Alter: „Der Abbau der Kohle war sehr schwierig, da man oft auf eine Schicht stieß, die Ton, Sand und Wasser führte.” Dazu sagen die Bergleute Eiterbeulen. Alter: „Über allen Braunkohlevorkommen rund um den Heiligenberg liegt eine Schlemme aus Kies und Sand.”

Die Kohle aus dem Heiligenberg ist von „bester Beschaffenheit”, berichtete 1937 die Henschel-Werkszeitung, „sehr fest und stückreich, hat einen geringen Wasser- und Aschegehalt, hat einen sehr hohen Heizwert”. Gern wurde die Kohle als Hausbrand, aber auch in Bäckereien und Ziegeleien der Region verwendet.
Das Kohleflöz war nach den Worten Karl Alters bis zu zwei Meter mächtig. Unter Tage wurde der Stollen vom Steiger mit dem Kompass vermessen und mit Holz abgestützt. Nach dem Krieg förderten bis zu 120 Kumpel Kohle in zwei Schichten. Die dritte Schicht wurde nachts für Reparaturarbeiten genutzt. Pro Woche waren die Bergmänner 48 Stunden unter Tage.
„Abgebaut wurde im Akkord”, erzählt Karl Alter. Hauer und Schlepper bewegten pro Schicht etwa 22 bis 24 Kubikmeter gebrochene Kohle. Sie wurde auf Hunte verladen, wie die Förderwagen in der Bergmannssprache heißen. Die Hunte rollten auf einem Gleis ins Freie. Der beste Hauer war Karl Scharf, erinnert sich Alter: „Der Heimatvertriebene schaffte bis zu 40 Wagen in der Schicht - etwa 32 Kubikmeter.” Zuletzt wurden pro Jahr durchschnittlich 40 000 Tonnen Kohle gefördert.
Von Manfred Schaake