KZ-Vergangenheit: Ein Bett sorgt in Moringen für Aufruhr

Moringen. Aus einem Ferienhaus bei Volpriehausen ist ein Relikt aus dem ehemaligen Konzentrationslager aufgetaucht. Es könnte der Anfang einer Ausstellung anfassbarer Geschichte sein.
Bisher war es für die KZ-Gedenkstätte in Moringen schwierig, den Besuchern die Lagergeschichte greifbar zu machen: Zu den Informationen im Archiv und Wortlauten ehemaliger Häftlinge gab es kaum etwas Anfassbares.
Jetzt ist ein Bett aus der Zeit aufgetaucht und hat das schlagartig geändert. Über mehrere Jahrzehnte stand das Etagenbett aus Metall in einer Ferienwohnung bei Volpriehausen. Dass die Prägung „JULA Mo“ am Kopfteil für „Jugendlager Moringen“, dem ehemaligen Jugend-KZ, steht, ging dem Besitzer Matthias Kaese und seiner Frau vor Kurzem in einem „gedanklichen Kurzschluss“ auf. Jetzt haben sie das Bett in der Gedenkstätte abgegeben.
Dort steht es auseinandergebaut im Flur und wirbelt die Geschichtsarbeit des Gedenkstättenleiters Dr. Dietmar Sedlaczek und Mitarbeiter Arne Droldner durcheinander. Sie sind bisher davon ausgegangen, dass im Jugend-KZ Moringen die Betten aus Holz waren. So hatten es ehemalige Häftlinge berichtet.
Deshalb vermuten sie, dass das Bett von Kaese aus einem Außenlager in Volpriehausen stammt. Dort wo heute ein Gewerbegebiet ist, sortierten in den 40er-Jahren Jugendliche aus der Moringer Haft im Kalibergwerk im Dreischichtenbetrieb Munition. Sie übernachteten in einem Arbeitslager. Für die Vermutung spricht auch die Munitionskiste, die Kaese im Ferienhaus entdeckt hat - mit Zeitschriften drin.
Kaese hat es geliebt, als Kind im Ferienhaus seiner Eltern in dem Etagenbett zu schlafen. Er nannte es liebevoll Julamo. „Das klang niedlich“, sagt Kaese, der heute in der Schweiz lebt. Seine Erinnerungen hängen an dem beige gestrichenen Stockbett. Das Wissen um die Vergangenheit sei eine andere Sache, sagt er.
Auf Dachböden, Rumpelkammern oder Wohnzimmern in und um Moringen vermuten die Mitarbeiter der Gedenkstätte hunderte solcher Übrigbleibsel, die helfen könnten, das Puzzle der Geschichte zu erweitern.
Es ist möglich, dass noch mehr solche Betten in den Haushalten der Umgebung zu finden sind. Von den Munitionskisten müssten laut Gedenkstätte noch hunderte im Umlauf sein. „Es ist unsere Horrorvision, dass nach dem Tod von Angehörigen die Dachböden ausgeräumt und Dinge weggeworfen werden, die für uns von großem Wert sind“, sagt Droldner.
Das Ferienhäuschen in Volpriehausen wird nun abgerissen, es weicht der neuen Bundesstraße. Kaese und seine Frau hoffen, dass die Abgabe des Bettes eine Initialzündung war, der viele Bewohner folgen. Das Bett bleibt trotzdem eine der liebsten Kindheitserinnerungen des heute 50 Jährigen - trotz KZ-Geschichte.
Was die Betten für ehemalige Häftlinge bedeuteten, lesen Sie in der gedruckten Mittwochausgabe.
Wer Fotos, Dokumente, Briefe, Besteck, Schüsseln oder andere Gegenstände findet, die ungefähr aus der NS-Zeit stammen, kann sich an die KZ-Gedenkstätte wenden: Tel. 05554/2520 oder info@gedenkstaette-moringen.de. Hinweise können neben der Abkürzung JULA Mo auch Prägungen mit „RKPA“ oder „RKA“ für Reichskriminalpolizeiamt oder Reichskriminalamt oder „WM“ für Werkhaus Moringen sein.