Amazon-Reportage auf ARD: "Da wurde doch fast alles falsch dargestellt"

Bad Hersfeld. Im Fernsehen wurde gezeigt, wie Amazon-Leiharbeiter drangsaliert und ausgebeutet werden. Maik Dippel und Monika Roglin, Arbeiter bei Amazon, schildern die andere Seite der Medaille.
Auch unter den Leiharbeitern gebe es schwarze Schafe, und Amazon sei ein sozialer Arbeitgeber. Als Maik Dippel vor zehn Jahren bei Amazon anfing, war er selbst so etwas wie ein Leiharbeiter. Er fing als Aushilfe im Weihnachtsgeschäft an, für 1100 Euro netto im Monat. Damals war er 26 Jahre alt und froh, überhaupt einen Job zu haben.
Nach der Zeit bei der Bundeswehr war Maik Dippel an Diabetes erkrankt - niemand wollte ihn. Der junge Mann arbeitete sich hoch - heute ist er fest angestellt, Anlagentechniker mit einem guten Gehalt, wie er sagt.
Als er die ARD-Dokumentation sah, regte sich Maik Dippel unheimlich auf. "Da wurde doch fast alles falsch dargestellt, man zeigte nur das Negative", sagt Maik Dippel. Seine Furcht: Wenn Kunden durch derlei Berichte abgeschreckt würden, dann gehe es letztlich auch um seinen Arbeitsplatz.
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Maik Dippel schickte Protestmails an HR und ARD. Sie blieben unbeantwortet. Niemand habe ihn aufgefordert, für Amazon in die Bresche zu springen, keiner habe ihn vorgeschickt, sagt Maik Dippel: "Das mache ich von mir aus."
Maik Dippel wohnt mit seiner Freundin Monika Roglin (sie arbeitet ebenfalls "gerne" bei Amazon) in einem kleinen Haus im Ferienpark Ronshausen. Hier wurden wie im Seepark Kirchheim in den Wintermonaten Leiharbeiter untergebracht - was das zuweilen mit sich bringt, erfährt Maik Dippel so aus nächster Nähe. Es habe wiederholt Einbrüche gegeben, Autos seien geknackt worden, sagt er.
Natürlich wolle er nicht alle Leiharbeiter über einen Kamm scheren. Es gebe unter den Frauen und Männern - die Hälfte käme aus osteuropäischen Ländern, die andere seien Deutsche - auch vernünftige Menschen. Aber etliche schwarze Schafe machten eben auch den Einsatz von Security nötig.
Im Seepark Kirchheim herrsche jedenfalls Ruhe, seit dort der Sicherheitsdienst eingesetzt worden sei. Laut ging es auch im Feriendorf Ronshausen zu, wenn der Amazon-Bus die Leiharbeiter nach der Schicht nach Hause brachte. Kaum seien die Männer ausgestiegen, seien auch schon Bierflaschen geflogen.
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Und auch im Werk fielen einige negativ auf. Da würden etwa Handy-Chips gestohlen und im Mund versteckt nach draußen gebracht. Maik Dippel: "Das habe ich selbst gesehen."
Dabei hätten es die Leiharbeiter gut bei Amazon: Es gebe zuweilen kostenlose Festessen mit Gänsekeulen und Klößen, eine alljährliche Verlosung (Hauptpreis ein VW Polo), Getränkeautomaten würden freigeschaltet, und Mineralwasser sowie Tee gebe es so viel, wie man wolle.
Und jeden Morgen würde den Leiharbeitern ein Frühstück in die Feriendörfer gebracht. "Wissen Sie, was mir besonders auf die Nerven geht", fragt Maik Dippel. "Dass die Leute jetzt den Kopf schütteln, wenn sie hören, dass ich bei Amazon arbeite."
Unterdessen hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) dem Personaldienstleister Trenkwalder Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vorgeworfen. Diese sei bei einer Sonderprüfung festgestellt worden, erklärte die Behörde am Mittwoch. Details nannte die BA nicht. Das Ergebnis der Prüfung werde im Laufe der Woche vorliegen, sagte eine BA-Sprecherin.
Trenkwalder hatte am Dienstag dagegen erklärt: „Die Prüfung des Zolls hat zu keiner Beanstandung geführt. Die Prüfung der Bundesagentur für Arbeit hat die öffentlich vorgebrachten Anschuldigungen nicht bestätigt“. Trenkwalder war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker erklärte, die Behörde sehe ihre Aufgabe darin, die geltenden Regeln zu überwachen und bei Verstößen dagegen vorzugehen. „Wir wollen keine schwarzen Schafe.“
Nach Angaben der BA kann einer Leiharbeitsfirma im schlimmsten Fall bei schweren Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz die Lizenz entzogen werden. (tho/dpa)
Verdi: Amazon übernimmt keine Verantwortung
Im Streit um Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitern hat die Gewerkschaft Verdi dem Internet- Versandhändler Amazon mangelndes Verantwortungsbewusstsein vorgeworfen. Man habe die Verantwortung mit der Trennung von zwei Dienstleistern lediglich abgeschoben worden, sagte der Gewerkschaftssekretär Heiner Reimann am Mittwoch dem hessischen Radiosender hr-info. Amazon wies die Kritik von sich.
Reimann forderte, das Unternehmen müsse selbst mit den Saisonmitarbeitern Verträge schließen und diese nicht über Leiharbeit beschäftigen. Außerdem müssten bessere Konditionen vereinbart werden.
Das Unternehmen teilte am Mittwoch mit, nur in absoluten Spitzenzeiten werde mit Zeitarbeitsfirmen zusammengearbeitet. In den deutschen Amazon-Logistikzentren seien rund 8000 Menschen mit einem festen Vertrag tätig. Hinzu kämen zur Weihnachtssaison Mitarbeiter mit befristeten Verträgen. Von diesen Saisonarbeitern in 2012 seien etwa 2000 Menschen langfristig übernommen worden. Anfänger würden 9,30 Euro brutto verdienen, nach einem Jahr werde der Lohn auf über zehn Euro erhöht. (dpa)