Zeitzeugen im Interview: Schulklasse schreibt Buch über DDR-Flüchtlinge

Witzenhausen. Den Unterricht mal in Eigenregie gestalten und dabei die DDR von allen Seiten beleuchten - dieses Projekt sind 26 Schüler der Johannisberg-Schule in Witzenhausen angegangen. Bei ihren Recherchen stießen die Jugendlichen auf Zeitzeugen aus der Region, die über ihre Fluchten aus dem Osten anschaulich und emotional zu berichten wussten.
Und weil die Fluchtversuche so abenteuerlich waren, entstand in der Klasse die Idee, ein Buch darüber zu schreiben. Unterstützt wurden sie dabei von Politiklehrer Jonas Klages.
Die Geschichte der DDR mitsamt der politischen Verstrickungen zählt in hessischen Schulen zum Pflichtstoff. Wie aber Jugendlichen das schwer greifbare Gebilde aus der Vergangenheit näherbringen? Vor dieser Frage stand Klages zu Beginn des Schuljahres.
„Der gängige Frontalunterricht hätte bei solch einem Thema nicht das nötige Interesse bei den Schülern geweckt“, berichtet der 34-jährige Lehrer. Es musste also eine Methode her, die die Jugendlichen auf der Gefühlsebene anspricht. Dass Zeitzeugen sich dafür am besten eignen, zeigte sich bei einem Projekttag im Grenzmuseum Schifflersgrund. Die Schüler waren von den Erzählungen eines Zeitzeugen so ergriffen, dass sie mehr über die Hintergründe der DDR erfahren wollten. Danach war es für Klages ein Leichtes, die Jugendlichen für das Projekt zu begeistern:
In Gruppen sollten sich die Schüler einen Bereich der deutsch-deutschen Geschichte aussuchen und diesen eigenständig bearbeiten.
Eifrig machten sich die Schüler ans Werk, nutzen das Internet wie auch alte Zeitungsartikel zur Recherche. Was sie dabei herausfanden, war ihrer Meinung nach „buchreif“. Ob mit dem Heißluftballon, einem selbstgebauten Flugzeug oder durch einen Tunnel - die Schüler mussten feststellen, dass die Fantasie der Fluchtwilligen keine Grenzen kannte. Einige Fluchten waren sogar so spektakulär, dass sie an die Öffentlichkeit getragen werden sollten, war sich die Klasse einig.
Also setzten sich die Schüler zusammen und entschieden, was dafür zu tun sei: Die 15-jährige Neele Rehmann erhielt den Auftrag, das Buchcover zu zeichnen. Um ein Vorwort für das Buch bat Lena Morawek (15) Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt und gebürtig aus Heringen. Der Bitte kam der 43-jährige Politiker auch gleich nach. Solch ein Schulprojekt sei seiner Meinung nach auf jeden Fall zu unterstützen. Auch der Verein für Demokratie und gegen Vergessen in Berlin war von der Arbeit der Klasse angetan und sagte seine Hilfe zu.
Allerdings hatte die Suche nach einer Druckerei bisher keinen Erfolg. Dennoch ist die Klasse zuversichtlich, dass das Buch pünktlich zum 9. November im Grenzmuseum vorgestellt werden kann.
Von Viktoria Fischer