Trotz Missbrauch: Ehemaliger Homberger Priester zelebriert weiter Messen

Homberg/Wolfhagen. Trotz Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist ein ehemaliger Homberger Pfarrer im Ruhestand weiter in katholischen Gemeinden aktiv.
Er vertritt im Pastoralverbund Wolfhager Land Pfarrer bei Gottesdiensten, Beerdigungen und hält Vorträge, gestaltete auch die Erstkommunion. Das Bistum Fulda hat gestern in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass der von Vorwürfen belastete 66-jährige Priester, der heute im Kreisteil Wolfhagen lebt, "nicht mehr in der Seelsorge tätig" sei.
Hintergrund: Schuldig, aber nicht vorbestraft
Mit einem Strafbefehl kann ein Gericht eine Strafe ohne Verhandlung aussprechen. Der frühere Homberger Pfarrer erhielt wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern unter 14 Jahren eine Verwarnung mit Strafvorbehalt, erklärt Strafrechtler Dr. Gert Meyer (Felsberg). Die Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 115 Mark sei somit auf Bewährung ausgesprochen worden. Wurde der Pfarrer binnen zwei Jahren nicht erneut straffällig, musste er die Strafe nicht zahlen. Damit wurde er zwar schuldig gesprochen, gilt aber nicht als vorbestraft, so Meyer. Pikantes Detail: Drei Monate nach dem Urteil hat der Gesetzgeber die Mindesstrafe auf drei Monate angehoben. (mcj)
Bei einer Jugendfreizeit in der Rhön 1996 soll es zu sexuellen Übergriffen des damaligen Hombergers gekommen sein, wegen des Verdachts von Missbrauchsfällen wurde der Pfarrer von dem Amt entbunden.
Im Oktober 1997 wurde ihm laut Bistum ein Strafbefehl zugestellt, in dem er des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen für schuldig befunden, verwarnt und zu einer Geldstrafe verurteilt und unter eine Bewährungszeit von zwei Jahren gestellt wurde.
Der 66-Jährige, der seit 2007 im Ruhestand ist, bestritt gestern gegenüber der HNA, jemals wegen eines Sexualdelikts verurteilt worden zu sein. "Ich habe da ein reines Gewissen."
Der Staatsanwalt habe damals die Akte schnell zugemacht. Allerdings, so räumt der Geistliche ein, sei er wegen eines Vergehens unter Alkoholeinwirkung in Anwesenheit von Jugendlichen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Einzelheiten wollte er nicht nennen.
Damals habe ihm das Bistum nahegelegt, aus der Homberger Pfarrstelle auszuscheiden: "Die Trennung erfolgte in beiderseitigem Einverständnis." Das Bistum betonte gestern, dass der Pfarrer zwar weiter die Messe zelebrieren durfte, dass ihm aber die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen strengstens untersagt sei.
Auch in Volkmarsen war der Pfarrer aktiv
Volkmarsen/Wolfhager Land. Auch in Volkmarsen war der katholische Pfarrer, der in den 90er-Jahren in Homberg des Missbrauchs verdächtigt wurde, tätig. Er habe dort jedoch keine Pfarrerstätigkeiten ausgeübt, betonte gestern Edgar Hohmann, Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde St. Marien in Volkmarsen. Lediglich zur Vertretung sei er geholt worden, „wenn jemand aus Krankheitsgründen oder aufgrund von Urlaub nicht konnte“, erklärte Hohmann. Von den Vorwürfen gegen die betreffende Person habe man nichts gewusst, stellte der Volkmarser Pfarrer klar.
Der katholische Pfarrer, der in den 90er-Jahren in Homberg tätig war und heute im Wolfhager Land lebt, ist nach Angaben des Bistums Fulda seit 2007 im Ruhestand und daher nicht in der Seelsorge beschäftigt. Er habe lediglich unter strengsten Auflagen die Möglichkeit erhalten, die Messe in zwei Pfarrgemeinden zu zelebrieren, heißt es in einer Pressemitteilung. Der heute 66-Jährige habe eine Erstkommunion-Messe gefeiert, aber die Vorbereitung sei durch den Ortspfarrer und pastorale Mitarbeiter erfolgt. Ausdrücklich sei ihm die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen durch ein Dekret von Bischof Heinz Josef Algermissen vom März 2007 untersagt worden.
Eine Zuwiderhandlung könne bis zur Suspendierung und der Entlassung aus dem Klerikerstand führen. Der Pfarrer dürfe mit Kindern und Jugendlichen nicht alleine zusammenkommen und keine Gruppenfahrten unternehmen. „Selbst die Beichte darf er diesen nur bei pastoraler Notwendigkeit in einem Beichtstuhl spenden, in dem er räumlich durch eine Wand ganz von ihnen getrennt ist“, heißt es. Zu den Vorwürfen vom Oktober 1996 erklärt das Bistum weiter: „Der Pfarrer wurde wegen des Verdachts von Missbrauchsfällen von seinem Amt als Pfarrer in Homberg entbunden.“
Im Oktober 1997 sei ihm ein Strafbefehl zugestellt worden, in dem er des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen für schuldig befunden, verwarnt und zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 115 DM verurteilt worden sei. Der Pfarrer sei unter eine Bewährungszeit von zwei Jahren gestellt worden.
Er habe sich auch einer Alkoholentziehungskur und Therapie unterzogen. In dem Strafbefehl sei von einem „Vergehen, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit“ die Rede. Danach sei der heute 66-Jährige in Weimar im Bistum Erfurt in der Gefängnisseelsorge und als Hilfsgeistlicher eingesetzt worden. Im Frühjahr 2004 sei ihm sexuelle Nötigung durch einen jungen erwachsenen Mann vorgeworfen worden. Das Verfahren sei im Frühjahr 2006 eingestellt worden. Der Pfarrer sei ins Bistum zurückgekehrt und nach einem psychiatrischen Gutachten per Dekret vom März 2007 in den Ruhestand versetzt worden. (hro/ler)
Von Axel Welch, Claudia Brandau und Katrin Lerner