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Eltern sehen sich gegenüber Kinderlosen im Nachteil

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Von: Tibor Pezsa, Petra Wettlaufer-Pohl

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Familie Essig
Sie verlangen eine deutlich höhere Anerkennung der Erziehungsleistung von Familien in den drei Sozialversicherungen (Rente, Krankheit, Pflege): Familie Essig mit Vater Markus (50, hinten), Mutter Katharina (48) und den Kindern (von links) Lukas (23), Antonia (25) und Paulina (20). Foto: Privat/nh

Ohne Kinder gibt es keine Rentenzahler. Sind aber die Kosten der Kindererziehung gerecht verteilt? Familien sagen: Nein. Heute wird am Bundessozialgericht eine Musterklage verhandelt.

Bei dieser Klage geht es um viel Geld für Millionen Familien: Heute ab zehn Uhr verhandelt der 12. Senat des Bundessozialgerichts in Kassel zwei Musterklagen von Familien, die sich bei ihren Beiträgen an die Sozialversicherungen gegenüber Kinderlosen stark benachteiligt sehen.

Hintergrund der Klage von zwei Familien aus Baden-Württemberg ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001. Es gab der Politik auf, die Erziehungsleistung von Eltern mit Blick auf ihre Beiträge zu den Sozialversicherungen – Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu prüfen, und zwar beitragsrelevant. Sprich: messbar in Cent und Euro.

Das führte im Jahr 2005 zu einer kleinen Änderung bei der Pflegeversicherung, wo Kinderlose seitdem mit einem kleinen Zuschlag von 0,25 Beitragssatzpunkten höher belastet werden als Eltern mit unterhaltsberechtigten Kindern.

Viel zu wenig, viel zu spät und überdies eine Verletzung der grundgesetzlich gebotenenen Gleichbehandlung – so argumentieren die Familien, die mit ihrer entsprechenden Klage jedoch in den Vorinstanzen scheiterten. Das Argument der Vorinstanzen, das nun in der Revision ist: In der Pflegeversicherung gebe es ja schon eine Differenzierung zwischen Eltern und Kinderlosen. Und in der Renten- und Krankenversicherung fehle eine gesetzliche Regelung.

Genau das, sagen die Familien, ist ja das Problem: Die Politik hat ihre vom Verfassungsgericht aufgegebene Hausaufgabe nicht oder doch so gut wie nicht erledigt. Die Sache dürfte denn auch nach Einschätzung des Vorsitzenden Richters des 12. BSG-Senats schließlich wieder beim Bundesverfassungsgericht landen.

Warum sollen Familien von ihrem Einkommen genauso hohe Anteile in die Rentenkasse einzahlen wie Kinderlose – obwohl ihnen die Erziehungsleistung niedrigere Rentenansprüche einbringt, Kinderlosen aber die künftig Rente sichert? Dieser Umstand wird schon seit langem von namhaften Juristen wie etwa Paul Kirchhof und auch dem einstigen Bundespräsidenten Roman Herzog kritisiert.

Aber hilft der Staat Familien nicht mit hohen anderen Leistungen, etwa mit der beitragsfreien Mitversicherung von Angehörigen in der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Kindergeld? Fachleute wie der Bochumer Ökonom Martin Werding und der ehemalige hessische Landessozialrichter Jürgen Borchert haben im Detail errechnet: Das alles zusammen ist bei weitem nicht ausreichend mit Blick auf die tatsächlichen Einbußen beziehungsweise Leistungen der Erziehenden.

Der Gesetzgeber, so Ökonom Werding, müsse den Generationenvertrag früher oder später umbauen: Entweder Eltern bekommen pro Kind mehr Rente. Oder sie zahlen niedrigere Beiträge. Kein Wunder, dass die Politik zögert: Das berührt alle. Und es geht um Milliarden. (Az: B12 KR 15/12 R und B12 KR13/13 R)

Hintergrund: Wie Eltern kostenlos und ohne Anwalt Ansprüche sichern können

Um die von ihnen seit Jahren beklagte Benachteiliung von Eltern mit unterhaltsberechttigen Kindern abzustellen, haben der Deutsche Familienverband und der Familienbund der Katholiken die Aktion Elternklage initiiert.

Zwar bekomme niemand Kinder wegen zu erwartender Rentenzahlungen, aber die Rente könne nur gezahlt werden, wenn es genügend Familien gibt, die Kinder erziehen. Umgesetzt wird dieser sogenannte Generationenvertrag in der Gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Die Aktion Elternklage beruft sich wesentlich auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2001, wonach die Erziehnungsleistung von Eltern in den Sozialversicherungen beitragsrelevant umzusetzen sei. Dies sei nicht verwirklicht.

Nach den Berechnungen der Verbände, die sich auf fachliche Untersuchungen stützen, zahlen Familien mindestens 238 Euro je Kind und Monat zu viel in die Sozialversicherungen ein. Neben Musterklagen unterstützen die Verbände Familien kostenlos und ohne Anwalt mit einem Musterbrief zur Beitragsreduzierung an die Sozialversicherungen. Dieser Brief könne künftige Ansprüche schon jetzt sichern. Er kann aus dem Internet heruntergeladen werden. Per Newsletter werden alle Teilnehmer auf dem Laufenden gehalten.

www.elternklagen.de

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