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„Hinter der Krise lauert der Notstand“

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Von: Marie-Therese Gewert

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Kassel/Athen. Auf manchen griechischen Inseln wie Kos und Lesbos ist die Lage für Flüchtlinge dramatisch. Die griechischen Behörden fühlen sich nicht zuständig.

Wir sprachen mit Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer der Hilfsorganisation Pro Asyl.

Wie ist die humanitäre Situation auf griechischen Inseln? 

Bernd Mesovic: Wir beobachten eine sehr hohe Zahl von Ankünften. Seit Wochen spitzt sich in Verbindung mit der Griechenland-Krise die humanitäre Lage dramatisch zu. Auch als Hilfsorganisation können wir nicht zum nächsten Schalter gehen und Geld ziehen.

Was machen die griechischen Behörden? 

Mesovic: Kein Flüchtling kann mit Hilfe rechnen. Die Krise und die extreme Armut in der Bevölkerung machen es noch schwieriger. Die Flüchtlinge campieren in großer Zahl im Grünen. Es gibt Menschen, die wegen Hitze oder Hunger auf offener Straße zusammenbrechen. Die griechischen Behörden geben ihnen nicht ausreichend Nahrung und auch keine Unterkunft. Bis zu einer Registrierung können Tage und Wochen vergehen. Solange sitzen sie einfach fest.

Was macht Pro Asyl? 

Mesovic: Wir versuchen mit anderen humanitären Hilfsorganisationen, das Schlimmste zu verhindern. Unsere Partner begleiten Flüchtlinge als Dolmetscher in Krankenhäuser, damit eine Notversorgung gewährleistet ist. Die medizinische Versorgung wird nur durch ehrenamtliches Engagement halbwegs gesichert.

Welche Hilfe von außen ist vor Ort noch möglich?

Mesovic: Pro Asyl schaut, wer schutzbedürftig und traumatisiert ist, wer massive Probleme hat und gefoltert wurde, um Hilfe zu gewährleisten. Auch einige andere Hilfsorganisationen und Freiwillige unterstützen die Flüchtlinge vor Ort. Doch noch sind wir nicht in der Phase, dass es ein umfassendes Hilfssystem auf den Inseln gibt.

Was fordern Sie von der Politik in Griechenland?

Mesovic: Hinter der Wirtschafts- und Schuldenkrise lauert der Notstand. Auch den Griechen geht es schlecht. Es ist nicht länger nur eine flüchtlingsspezifische Frage. Wir fordern jetzt eine sofortige Katastrophenhilfe.

Wie kann die gelingen?

Mesovic: Die griechische Regierung muss Notversorgungskapazitäten aufbauen. Dabei ist sie auch auf die Unterstützung und die Solidarität der EU angewiesen. Der Blick richtet sich verstärkt auf die Bankenkrise, aber dahinter tut sich seit langer Zeit eine schleichende Katastrophe auf, die jetzt akut wird. Die Flüchtlinge müssen aus diesem längst zusammengebrochenen Aufnahmesystem heraus - und dahin gebracht werden, wo sie würdig leben können.

Zur Person: Bernd Mesovic (61) wurde in Bad Nauheim geboren. Seit über 20 Jahren arbeitet er für die Flüchtlingsorganistation Pro Asyl. Er macht sich dort für die Rechte der Flüchtlinge stark und ist stellvertretender Geschäftsführer. Der Soziologe lebt in Frankfurt. Er ist nicht verheiratet.

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