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Interview: Illegaler Organhandel trifft  vor allem arme Menschen

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Von: Nicole Schippers

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Die Narben oberhalb der Hüfte verraten es: Diese Männer aus Pakistan haben eine ihrer Nieren verkauft. Bis zu 200 000 Dollar zahlen Patienten – das meiste davon kassieren Vermittler. Foto: dpa
Die Narben oberhalb der Hüfte verraten es: Diese Männer aus Pakistan haben eine ihrer Nieren verkauft. Bis zu 200.000 Dollar zahlen Patienten – das meiste davon kassieren Vermittler. Foto: dpa

In Deutschland warten derzeit 11.000 Patienten auf ein Spenderorgan. Nicht wenige sterben, weil ihnen kein Organ rechtzeitig transplantiert werden kann. Der illegale Organhandel nimmt zu. Darüber sprachen wir mit UN-Expertin Silke Albert.

Kann man das Problem des illegalen Organhandels in Zahlen benennen? 

Silke Albert: Das ist ein großes Thema, allerdings haben wir keine konkreten Zahlen. Es handelt sich um einen Kriminalitätsbereich, in dem viel Profit zu machen ist mit einem geringen Risiko aufzufliegen und strafrechtlich verfolgt zu werden. Da kann man erwarten, dass es große Märkte gibt.

In welchen Ländern ist illegaler Organhandel besonders verbreitet? 

Albert: Es wurden Netzwerke im Nahen Osten, in Südafrika, in Südosteuropa, Zentral- und Südasien aufgedeckt. Früher hat man viel von Moldawien gehört, heute vielleicht von Pakistan, ohne konkrete Daten kann ich dies nicht unbedingt bestätigen. In der Regel kann man sagen, die sogenannten Spender kommen vorwiegend aus ärmeren Ländern, die Empfänger aus den reicheren Ländern. Und dann gibt es noch dritte Länder, in denen die Operationen stattfinden.

Wie finden die Händler Spender? 

Albert: Dazu brauchen sie nur in die Armutsviertel vieler Entwicklungs- und Schwellenländer zu gehen. Da gibt es immer Mittel und Wege. Meistens arrangieren Mittelsmänner die Spende. In der Regel haben Empfänger und Spender keinen direkten Kontakt.

Wie nehmen Patienten und Händler Kontakt auf? 

Albert: Viele Empfänger erfahren über Mund-zu-Mund-Propaganda von den Händlern. Zudem sind die Händler auch in Dialysezentren aktiv und es gibt bestimmte Internetseiten. Wenn jemand verzweifelt ein Organ sucht, dann wird er erfinderisch und stößt auf Angebote.

Wissen die Spender, worauf sie sich einlassen? 

Albert: Ich nehme an, dass sich viele des medizinischen Risikos nicht bewusst sind. In der Regel sind die Spender keine hochgebildeten Menschen. Sie wissen oft schon, dass es sich um einen körperlichen Eingriff handelt, aber die Mittelsmänner erzählen beispielsweise, die Niere wachse nach oder eine zweite Niere sei überflüssig. Sehr oft ist den Spendern nicht bewusst, dass sie eine medizinische Nachversorgung brauchen.

Was kosten Organe auf dem Schwarzmarkt? 

Albert: Es geistern verschiedene Schätzungen in Internet herum. Der Preis für eine Niere auf dem Schwarzmarkt variiert zwischen 50.000 und 200.000 Dollar. Davon sehen die Spender natürlich relativ wenig. Das meiste versickert bei den Mittelsmännern.

Der deutsche Journalist Willi Germund hat illegal eine Niere gekauft und ein Buch darüber geschrieben. Was halten Sie davon? 

Albert: Ich würde mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen. Es gibt vom Europarat eine neue Konvention zum Organhandel, die es den Unterzeichnerstaaten überlässt, ob sie Organempfänger für den Kauf von Organen bestrafen möchten oder nicht, die aber in erster Linie auf die Organhändler und beteiligte Chirurgen abzielt.

Wie stehen Sie zur Legalisierung des Organhandels? 

Albert: Ich würde mich an die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation halten, die besagen, dass ein Organ nicht kommerzialisiert werden darf. Ein Organ ist nicht ein Gut wie jedes andere. Das muss im Bewusstsein bleiben. Ich wage auch zu bezweifeln, dass sich durch die Legalisierung die Ausbeutung armer durch reiche Menschen ausschließen lässt.

Wie kann der Mangel an Spenderorganen behoben werden? 

Albert: Es wäre hilfreich, das medizinische Personal zu schulen, sich mit den Familien potentieller Spender auseinanderzusetzen und das Thema mehr in die Öffentlichkeit zu bringen. Man sollte den Dialog suchen und eine breite Debatte führen, um eine größere Spendebereitschaft zu erreichen. Eine spanische Kollegin erzählte mir, die Spanier seien stolz darauf, wenn ein Angehöriger, der ein Organ gespendet hat, über seinen Tod hinaus noch etwas Gutes tut.

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