HNA-Kommentar: Aus für Nachtzüge? Bahn setzt falsche Prioritäten
Die Bahn will das Angebot von Nacht- und Autoreisezügen ausdünnen, womöglich sogar ganz einstellen. Von "Verlustbringern" ist die Rede. Unser Berliner Korrespondent Hagen Strauß dagegen hält die Pläne für kundenfern.
Typisch Bahn. Der Konzern muss aufpassen, dass er den Blick aufs Wesentliche nicht verliert und seine Prioritäten immer weiter in die falsche Richtung verschiebt. Das Wesentliche ist – wer hätte das gedacht – nach wie vor der Kunde.
Die erhebliche Ausdünnung der Nacht- und Autozüge oder gar ihre Abschaffung ist so eine Prioritätenverschiebung. Denn zweifellos ist der Bedarf da, viele Menschen nutzen die Offerte - trotz Flugverkehrs und der neuen Fernbuslinien. Und zwar nicht aus nostalgischen oder romantischen Gründen. Sondern ganz bewusst, um angenehmer zu reisen, um am Ankunftsort ausgeruht zu sein. Vielleicht meiden sie auch den Flieger, um das Klima zu schonen. Vor vier Jahren, als der Autozug seinen 80sten Geburtstag feierte, ließ Bahnchef Rüdiger Grube noch wissen, man liege mit dem Angebot voll im Trend des neuen Umweltbewusstseins. Das soll heute nicht mehr gelten? Kaum zu glauben.
Die Bahn hat ohnehin ein Serviceproblem. Vor allem in der Fläche hat sie erheblich abgebaut und an Attraktivität verloren. Im Fernverkehr kratzen Pannenzüge, hohe Preise und Verspätungen am Image des Unternehmens. Auf der anderen Seite kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass zur obersten Zielgruppe vor allem der Manager in der ersten Klasse des ICE geworden ist, wenn – mit tatkräftiger Unterstützung des Verkehrministers – das W-LAN-Angebot im Zug quasi als eines der wichtigsten Projekte gefeiert wird. Da gibt es zweifellos Anderes und Wichtigeres zu tun, damit die Bahn eine Kundenbahn bleibt. Der Erhalt des Nacht- und Autozug-Angebots gehört dazu.
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