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SPD-Länder reichen Klage ein: Karlsruhe soll AKW abschalten

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Greenpeace-Slogan, im Oktober 2010 an den Kühlturm des Atomkraftwerks Philippsburg projiziert: „AKW Philippsburg: Atomkraft schadet Deutschland“. Archivfoto: dpa

Berlin. Fünf SPD-regierte Bundesländer wollen die von Schwarz-Gelb beschlossenen längeren Atomlaufzeiten vor dem Bundesverfassungsgericht kippen. Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Bremen und NRW reichten ihre Klageschrift am Montag in Karlsruhe ein.

Auch die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen werden klagen. Bis zu einer Entscheidung der Karlsruher Richter könnten aber Jahre vergehen. Die Bundesregierung hat den von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg gekippt und die Laufzeiten für die 17 deutschen Atommeiler um im Schnitt zwölf Jahre verlängert. Die schwarz-gelbe Koalition will die Atomenergie als Brückentechnologie erhalten, bis Strom aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse die Kernenergie dauerhaft ersetzen könne. Dazu hatte der Bundestag mit der Mehrheit von Union und FDP ein umfassendes Energie- und Klimaschutzpaket beschlossen.

Das geschah aber ohne Zustimmung des Bundesrats, wo Schwarz-Gelb keine Mehrheit hat. Dass so die Länderkammer umgangen wurde, ist Kern der Beschwerde der fünf SPD-regierten Länder in Karlsruhe. Die Länder mit Atommeilern sind für die Aufsicht und die Einhaltung von Sicherheitsauflagen zuständig. Ihren Behörden bürden die schwarz-gelben Atombeschlüsse zusätzliche Aufgaben auf, kritisieren die SPD-Länder, die ihre Erfolgschancen in Karlsruhe auf über 50 Prozent ansetzen.

Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) sagte, die Bundesregierung habe Verfassungsrechte der Länder „wider besseres Wissen missachtet“. Ihr NRW-Amtskollege Johannes Remmel (Grüne) betonte: „Wir wollen ein deutliches Stopp-Signal setzen.“ Die längeren Laufzeiten zementierten die Marktmacht der Atomkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW. Das behindere den Ausbau der Öko-Energie und führe zu höheren Strompreisen für Industrie und Verbraucher.

Auch die Fraktionen von SPD und Grünen im Bundestag wollen bald ihre Klage in Karlsruhe einreichen. Auch sie beschweren sich über die Nichtbeteiligung der Länder, argumentieren aber auch mit inhaltlichen Verfassungsbedenken gegen die jüngsten Novellen des Atomgesetzes.

„Neue Gefahren“

Unter anderem werfen SPD und Grüne dem Bund einen Verstoß gegen Artikel 2 des Grundgesetzes vor, der das Recht der Bevölkerung auf Leben und körperliche Unversehrtheit garantiert. Tatsächlich bedeute die Verlängerung der Atomlaufzeiten um 8 bis 14 Jahre „neue Gefahren für Mensch und Umwelt“, sagte Grünen-Umweltexpertin Bärbel Höhn. Das Schutzniveau der Anlagen und die Klagemöglichkeiten der Bürger seien nicht, wie von der Regierung angegeben, erweitert worden, sondern verringert.

Auch Greenpeace hat sich an die Verfassungsrichter gewandt. Ob Karlsruhe die drei Klagen zusammen behandelt, ist offen. Wäre der Vorstoß erfolgreich, müssten die älteren Kraftwerke nach Einschätzung der Kläger sofort abgeschaltet werden. Denn dann wäre die Neufassung des Atomgesetzes nichtig und die Fassung von 2002, als der Atomausstieg festgeschrieben wurde, würde wieder gelten. (dpa/ap)

Jede Seite hat ihre Gutachter

Juristische Munition für den Gang nach Karlsruhe

Der rot-grüne Atomausstieg von 2002 begrenzte die Laufzeiten der AKW - und damit auch die Aufsichtsaufgaben der Länder. Mit der Verlängerung geschehe das Gegenteil, sagt Alexander Roßnagel, Umweltjurist an der Uni Kassel, der ein Gutachten für die Grünen im Bundestag verfasst hat: „Längere Laufzeiten bringen verlängerte, sogar neue Aufgaben für die Länder mit sich. Das kostet Geld, Planung, Personal.“ Deshalb sei die Zustimmungspflicht des Bundesrates „zwingend“.

Dazu kommen aus Roßnagels Sicht mit längeren Laufzeiten „völlig andere Dimensionen der Verantwortung“ auf die Länder zu, weil kein AKW in Deutschland ausreichend gegen Abstürze oder Angriffe mit Flugzeugen geschützt sei.

Anders FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Er stützt sich auf ein Gutachten, das im Kern Folgendes sagt: Der rot-grüne Ausstiegsbeschluss sei ohne Bundesrat gefasst worden - also könne seine Aufhebung nicht zustimmungspflichtig sein. Falsch, meint Harald Georgii vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in seiner Expertise.

Während der Jurist und frühere CDU-Spitzenpolitiker Rupert Scholz eine Beteiligung der Länderkammer an der Laufzeitverlängerung nicht für notwendig hält, widerspricht ihm Hans-Jürgen Papier, Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Streit um die Laufzeitverlängerung - Pro und Kontra

http://www.duh.de/uploads/media/Stellungnahme_Laufzeitverlaengerung_HJPapier.pdf

http://www.gruene-bundestag.de/cms/archiv/dokbin/358/358337.rechtsgutachten_laufzeitverlaengerung.pdf

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