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Ex-Bundestrainer Dago Leukefeld: "Weiblicher Nachwuchs ist Stiefkind"

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Mit Bietigheim auf der Erfolgsspur: Trainer Dako Leukefeld, auf den sich heute die Teilnehmer des Kirchhofer Handballcamps freuen dürfen.
Mit Bietigheim auf der Erfolgsspur: Trainer Dako Leukefeld, auf den sich heute die Teilnehmer des Kirchhofer Handballcamps freuen dürfen. © Kasiewicz

Kirchhof. Hoher Besuch beim Kirchhofer Handballcamp: Mit Dago Leukefeld gibt sich dort der ehemalige Bundestrainer der Frauen-Nationalmannschaft die Ehre, der zuvor im HNA-Interview Redakteur Ralf Ohm Rede und Antwort stand. Und dabei die Nachwuchsförderung im weiblichen Bereich kritisierte.

Herr Leukefeld, was hat Sie dazu bewogen, beim Kirchhofer Handballcamp teilzunehmen und mit zu arbeiten?

Dago Leukefeld: Ich wurde von der Internetplattform Hessenhandball.de bzw. von dem dort tätigen Markus Brauer, Lebensgefährte von Cristiana Mihai, angesprochen und habe gleich zugesagt. Schließlich gehören solche Handballcamps zu meinem Kerngeschäft und ich bin gerne bereit, Vereine in diesem Bereich zu unterstützen. Dazu kommt auch noch mein guter Draht zu SG-Trainer Gernot Weiss.

Sie haben sich seit Jahren der Nachwuchsarbeit verschrieben, leiten eine Jugendakademie in Thüringen und veranstalten selbst solche Handballcamps. Worauf kommt es dabei an? Wie können Kinder auch darüber hinaus für den Handball gewonnen werden?

Leukefeld: Das Wichtigste ist, den Kindern Spielfreude zu vermitteln und dabei ihren Teamgeist zu fördern. Da die meisten Teilnehmer bereits in Vereinen spielen, ist es für sie eine Art Zusatztrainingslager, in denen man durchaus die Zeit hat, an ihren Schwächen zu arbeiten und ihnen konkrete Tipps mit auf den Weg zu geben. Der Anreiz, der Sportart treu zu bleiben, kann auch durch den Kontakt mit Aushängeschildern des Handballs gefördert werden.

Wo rangiert Deutschland international mit seiner Nachwuchsarbeit?

Leukefeld: Im männlichen Bereich ist die Nachwuchsarbeit sehr gut, was auch die zurückliegenden Erfolge der Juniorenteams des DHB unter Beweis stellen. Der weibliche Bereich ist dagegen eher das Stiefkind des Verbandes. Hier sind wir ziemlich weit von der Spitze weg und allenfalls Mittelmaß.

Warum ?

Leukefeld: Es gibt noch zu wenig Basisarbeit besonders in der Aus- und Weiterbildung von Trainern. Entsprechend ist ihre Qualität nicht immer ausreichend. Zudem hat es in den letzten Jahren eine zu hohe Fluktuation an der Spitze gegeben. Die Frauen-Bundesliga ist wirtschaftlich nicht allzu gesund, in der Breite aber immer noch die beste der Welt.

Wie sind demnach die Aussichten auf zukünftige Erfolge einer der ehemals führenden Handballnationen?

Leukefeld: Die aktuelle Nationalmannschaft braucht Zeit. Bis zu den Olympischen Spielen 2016 und der Weltmeisterschaft im eigenen Land 2017 könnte es aber mit einer durchschlagkräftigen Mannschaft klappen.

Sie sind mit der SG BBM Bietigheim zum fünften Mal in ihrer Trainerlaufbahn aufgestiegen. Wie ordnen Sie diesen Erfolg ein?

Leukefeld: Der Aufstieg mit Erfurt in die 1. Liga war aufgrund meiner Rückkehr sicherlich emotionaler. Und der mit Blomberg-Lippe eher das Produkt langfristiger Arbeit. In Bietigheim, das unbedingt hoch wollte, handelte es sich eher um eine Feuerwehraktion.

Mit Ihnen als Berater blieb die Mannschaft in zwölf Spielen unbesiegt und legte mit einer 22:2-Serie die Basis zum Aufstieg. Was haben Sie da konkret bewirkt?

Leukefeld: Eigentlich war ich Cheftrainer, Berater diente nur als Titel. Ich habe das komplette Training und auch das Coaching gemacht, wobei ich auf ein starkes Team um das Team bauen konnte. Wir haben nach meiner Verpflichtung hart im athletischen Bereich gearbeitet, da gab es einiges aufzuholen. Weiterhin haben wir uns akribischer auf die Spiele vorbereitet, mehr in taktische Vorbereitung investiert und dabei jeden Gegner sehr ernst genommen. So konnten wir eine Anspannungskurve hin zu entscheidenden Spielen entwickeln und dort Vollgas geben.

Trotz dieses Erfolges haben Sie bei der Entscheidung, als Cheftrainer bei der SG weiter zu machen, etwas gezögert. Warum?

Leukefeld: In der Tat habe ich nach 25 Jahren erster und zweiter Liga und dem Fiasko mit Sindelfingen (Anmerkung der Redaktion: Insolvenz) lange mit mir gerungen, mich wieder in die Abhängigkeit von einem einzelnen Verein zu begeben. Meine eigenen, davon unabhängigen Projekte will ich daher unbedingt aufrechterhalten. Das geht nur, wenn mir der Verein gewisse Freiheiten gibt. Und die habe ich bekommen.

Wie sind die kurz- und mittelfristigen Perspektiven der SG BBM?

Leukefeld: Kurzfristig natürlich der Klassenerhalt, was durch die Insolvenz von Frankfurt/Oder und der geplanten Aufstockung 2014/2015 erleichtert wird. Mittelfristig wollen wir uns als stabiler Erstligist etablieren. Dazu gilt es, in unserer Handball verrückten Region die Nummer eins zu werden.

Bietigheim und Bensheim-Auerbach gingen hoch, Bad Wildungen und Trier runter: Wie ist die kommende 2. Liga einzuschätzen?

Leukefeld: Auf jeden Fall stärker, da sich einige Vereine wie Berlin und Zwickau enorm verstärkt haben. Sie gehören mit Dortmund und Celle zu meinen Meisterschaftsfavoriten.

Was trauen Sie der SG 09 Kirchhof in der zweiten Saison nach dem Aufstieg zu?

Leukefeld: Für Kirchhof wird die zweite Saison leichter als die erste. Die SG hat sich gut verstärkt, Cristina Mihai wird vollständig integriert sein und von einigen jungen, höchst interessanten Spielerinnen wird man in Zukunft noch einiges hören.

Von Ralf Ohm

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