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Gute Miene zum bösen Spiel

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Kassel. Wilfried Henning hat in den vergangenen Wochen gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Kein Außenstehender konnte ahnen, dass Hessens dienstältester Polizeipräsident auf der Abschussliste von Innenminister Volker Bouffier (CDU) steht.

Weder bei der Präsentation der Kriminalstatistik am 22. Januar noch eine Woche später bei der Verleihung der Kasseler Polizeimedaille oder am vergangenen Freitag, als die Schauspielerin Ulrike Folkerts im Präsidium ausgezeichnet wurde, ließ sich der 58-Jährige etwas anmerken. „Ich habe das gut überspielt“, sagte Henning gestern. Gleichzeitig macht er keinen Hehl daraus, dass er gern noch ein paar Jahre Polizeipräsident geblieben wäre.

Den Job, bei dem er 50 Stunden pro Woche und mehr arbeiten musste, hätte er nicht unbedingt bis 65 machen müssen, aber bis 62 hätte er noch gern gearbeitet. „Es war eine tolle Zeit.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Henning gestern in einer E-Mail von den 2000 Mitarbeitern des Polizeipräsidiums Nordhessen. Dass seine Entlassung eine Reaktion bei so vielen Beamten und Angestellten auslösen würde, damit hatte der Polizeichef nicht gerechnet.

Die Anteilnahme und guten Wünsche seiner Kollegen hätten ihn berührt. Rückblick: Henning wird vor 16 Jahren unter Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) zum Polizeipräsidenten ernannt. Die Bekämpfung der Kriminalität lernt er von allen Seiten kennen: Er studiert in seiner Geburtsstadt Marburg Jura, arbeitet als Staatsanwalt und als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Generalbundesanwalt sowie als Leiter der Justizvollzugsanstalt Kassel I und stellvertretender Abteilungsleiter im Justizministerium. 1999 gelingt dem nordhessischen Polizeipräsidenten etwas, was nicht alle Chefs von Landesbehörden schaffen. Als Roland Koch an die Macht kommt, bleibt Henning im Amt.

Die neue CDU-Landesregierung hat offenbar nicht die Befürchtung, dass es Schwierigkeiten mit dem parteilosen Henning geben könnte. Im Laufe der Jahre entwickelt sich dieser eher zu einem loyalen Gefolgsmann von Minister Volker Bouffier, dessen innenpolitische Linie er umsetzt und verteidigt. Ein Umstand, mit dem sich der Präsident bei der nordhessischen Polizei nicht nur Freunde macht. Dünne Personaldecke Er würde sich gern mehr auf das „Polizeimachen“ konzentrieren, sagte Henning einst. Dafür war aber nicht immer Zeit.

Seit seinem Amtsantritt gab es zwei große Polizeireformen, das Polizeipräsidium zog vom Königstor an den Kulturbahnhof, verschiedene Reviere wurden zusammengelegt und Stellen abgebaut. Henning verteidigte die Sparmaßnahmen der Regierung Koch stets. Bis zum vergangenen Frühjahr: Damals räumte er ein, dass die Personaldecke in seinem Haus sehr dünn ist. Henning war ein Präsident, der seinen Mitarbeitern Freiräume gegeben und sich gern in politische Diskussionen eingebracht hat. Er forderte zum Beispiel die Freigabe von Lkw-Maut-Daten für Ermittlungen, als die Schülerin Anna ermordet wurde.

Dass das Gewaltschutzgesetz eingeführt werden konnte, ging auch auf Initiativen aus Kassel zurück. Henning hatte keine Scheu, sich zu unbequemen Themen zu äußern. Er sprach genauso über Gewalt unter Russlanddeutschen wie über den Umgang mit straffälligen Junkies. Henning, der am 15. März seinen 59. Geburtstag feiert, will sich nun Gedanken über seine Zukunft machen. Seit 1977 ist er mit seiner Frau Ann Julia verheiratet. Jeden Morgen läuft das Paar, das zwei Töchter und einen Enkel hat, eine Stunde rund um seinen Wohnort Kaufungen.

Von Ulrike Pflüger-Scherb

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