A7 als Autobahn des Grauens: Blick auf Baustellen, Sperrungen, Staus

Tägliche Meldungen von Staus, Sperrungen und Unfällen – die A7 ist häufig dicht. Wir sind die Autobahn mit der Kamera abgeflogen und geben einen großen Überblick auf die Problemstellen.
Nicht nur zu Ferienzeiten wird Deutschlands wichtigste Nord-Süd-Verbindung in der Region regelmäßig zum Nadelöhr. Zurzeit müssen Autofahrer zwischen dem Kirchheimer Dreieck bei Bad Hersfeld und Seesen in Südniedersachsen fünf dauerhafte Baustellen passieren. Wir sind mit einer Kamera über die A7 geflogen und stellen die Baustellen auf der Autobahn sowie die Probleme der Strecke im Video vor:
A7 - Baustellen in der Übersicht
In dieser Karte finden Sie alle Baustellen auf der A7:
Geduldig müssen sie vor allem zwischen Northeim und Seesen sein, dort zieht sich der sechsspurige Ausbau der A 7 über eine Strecke von über 29 Kilometern. Aus Sicht des ADAC ist dieser Ausbau dringend notwendig, weil die Autobahn sanierungsbedürftig ist und die Belastung steigt. Auf der stauträchtigen Strecke bei Hann. Münden ist es laut Behörde vor allem der Lkw-Verkehr an der Steigung, der den Belag so verschleißt, dass er nach nur sieben Jahren erneuert werden muss.
Aktueller Unfall auf A7: Zwischen Malsfeld und Homberg ist ein Lkw auf einen Sattelzug aufgefahren.
Umleitungen der A7 belastet
Ein weiteres Problem: Wenn es sich auf der Autobahn staut, drückt der Verkehr schnell auf die Straßen rundherum. Die ausgeschilderten Umleitungen sind zwar theoretisch geeignet, Autobahnverkehr zu tragen, aber staufrei kann der nie abgeleitet werden, sagt Udo Othmer von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Die Folge sind mit Autos verstopfte Städte, wie Kassel, Bad Hersfeld, Hann. Münden, Northeim und sogar Witzenhausen. In Münden regelte die Polizei Mitte Oktober nach A-7-Unfällen mit Sperrungen auf der B 496 am Ortseingang den Verkehr per Hand, um den innerstädtischen Verkehrsfluss nicht zusätzlich zu belasten.
A7 Guxhagen - Stau wegen Brückenarbeiten
Zumindest die Brückenbauarbeiten bei Guxhagen und die Fahrbahnsanierung bei Hedemünden werden im Laufe dieses Monats laut Planung abgeschlossen sein. Im Frühjahr wird der zurzeit ruhende achtstreifige Ausbau am Dreieck Kassel-Süd wieder aufgenommen.
A7 Stau - Das sagen Pendler
Manchmal braucht Irina Müller vier Stunden für die Heimfahrt von

Göttingen nach Bad Emstal im Kreis Kassel. 72 Kilometer, hauptsächlich über die A 7, vorbei an der über drei Kilometer langen Baustelle bei Hedemünden. Vielen Pendlern in der Region geht es ähnlich. Sie stehen im Stau auf der Autobahn – an Baustellen oder nach Unfällen. Das führt zu Frust.
Als Grundschullehrerin pendelt die 43-Jährige täglich, muss um fünf vor acht an ihrer Schule sein. Verkehrsfunk und Staumeldungen gehören zum Alltag. Aus Angst, zu spät zu kommen, fährt Irina Müller um 6 Uhr los. „Wenn sonst ein Unfall ist, hab ich Stress. Man kann keine zweite Klasse die erste Stunde allein gestalten lassen.“ Einmal stand Irina Müller so lange auf der A 7, bis ihre Stunden an der Schule vorbei waren.
Auch Peter Link checkt die Staumeldungen, bevor er sich auf den Heimweg vom Daimlerwerk in Kassel nach Neu-Eichenberg im Werra-Meißner-Kreis macht. Im Stau stehe er zwar seltener, aber seine Fahrgemeinschaft muss oft Umleitung oder Schleichwege fahren. „Wenn man über 30 Jahre die Strecke fährt, weiß man, wo lang“, sagt der 54-Jährige.
A7 Baustellen sind für viele ein Rätsel
Für viele Autofahrer ist es ein Rätsel, was an den Baustellen gemacht wird: Brückenbauarbeiten bei Guxhagen, Brückenneubau und Fahrbahnerneuerung bei Knüllwald-Völkershain, Fahrbahnerneuerung bei Hedemünden. Bei Northeim werden die Fahrspuren ausgebaut und am Kirchheimer Dreieck die Rampen zur A 4 optimiert. Manche Pendler haben den Eindruck, alles muss auf einmal erledigt werden. „Baustellen sind optimiert geplant“, sagt Christina Röntgen, Regionale Bevollmächtigte bei Hessen Mobil, die sich mit nordhessischen Autobahnen auskennt. „Wir versuchen, die Einschränkungen gering zu halten.“ Aber Baustellen blieben eben nicht aus. Zählt man alle Baustellenstrecken in Nordhessen zusammen, sind das fast neun Kilometer. Das sei im Vergleich „nicht so viel“. Zwei bis drei Baustellen gebe es jedes Jahr.
Wo gebaut wird, legt das Bauprogramm mehrere Jahre im Voraus fest. Die Planung wird quartalsweise angepasst und muss Richtlinien einhalten. Auf 100 Kilometern Strecke sollte keine Baustelle länger sein als 17 Kilometer, damit sich Fahrer erholen können. Bei Northeim in Südniedersachsen misst aber eine Riesenbaustelle bis nach Seesen 29,2 Kilometer. Wieso? „Der sechsspurige Ausbau umfasst 170 Bauwerke“, erklärt Steffen Schütz vom Konsortium Via Niedersachsen, das die Baustelle betreut. Nicht nur neun Anschlussstellen und zwei Brücken, auch Rastanlagen, Kreisverkehre und vieles mehr gehörten zum Projekt. Ruheabschnitte, die normale Fahrbahnbreite haben, unterteilen die Bauabschnitte. Die Baustelle für jeweils nur drei Kilometer über einen noch längeren Zeitraum einzurichten, hat laut Schütz keinen Sinn. Der Aufwand und die Kosten wären erheblich höher, es würde noch länger dauern. Bisher sind noch drei Jahre veranschlagt.
A7 Unfälle und Staus
Das Problem, so Christina Röntgen von Hessen Mobil, sind weniger die Baustellen, sondern die Unfälle, die dort passieren. „Es liegt eigentlich nicht an der Verkehrsführung.“
Unfall vor wenigen Tagen: Ein Audi hat sich bei Kassel Mitte überschlagen.
Dass Baustellen die Ursache für Unfälle und Staus sind, will so zwar niemand bestätigen.

Aber: „Baustellen sind eine Herausforderung für Autofahrer“, sagt Helmut Gantner von der Polizeiautobahnstation Baunatal, deren Gebiet von Homberg bis Lutterberg reicht. Die Fahrbahn sei oft enger, Autos geraten manchmal seitlich aneinander, Auffahrunfälle passieren, wenn Autofahrer die Situation schlecht einschätzen. „Das muss aber nicht unbedingt mit der Baustelle an sich zu tun haben.“ Die seien in der Region gut eingerichtet. „Auch die Ablenkung und mangelnde Konzentration sind ein riesiges Problem“.
Unfallschwerpunkte legen die Autobahnpolizeistationen verschieden aus. Bis Lutterberg gibt es laut Gantner keine. Um Göttingen schon, sagt der Leiter der dortigen Autobahnpolizei, Matthias Rink. Dass es bei Staus Verkehrs-Chaos rund um die Autobahn gibt, sei klar: Auf der A 7 fahren täglich bis 100 000 Fahrzeuge. „Dafür gibt es keine Lösung“.
Baustellen auf der A7 - das Protokoll einer Autofahrt
Die A 7, Autobahn des Grauens? Wir sind die Strecken von Kirchheim bis Echte im Berufsverkehr abgefahren.
Kassel – Bad Hersfeld: Kurz vor 7 Uhr, erste Baustelle Richtung Bad Hersfeld geschafft. Jetzt die zweite: Brückenbauarbeiten bei Knüllwald-Völkershain. Lkw schlängeln sich mit 30 km/h und Warnblinker auf der rechten Spur. Trotz Überholverbots kämpft sich ein einzelner Lastwagen auf der mittleren Spur bis zur Baustelle, blockiert die Spur, zwängt sich dann zwischen die anderen Brummis. Die zweite Spur in der Baustelle ist eng, das Auto holpert über die unebene Fahrbahn. Kurz nach der Baustelle überholt der erste Lkw, obwohl er auch hier nur rechts fahren darf, mit 50 km/h, bergauf. Die Ausfahrt Hersfeld-West taucht auf, vorbei an einem liegen gebliebenen Lkw auf dem Standstreifen – Ziel erreicht, nur 10 Minuten verspätet.
Kirchheim – Kassel: Vor dem Parkplatz Fuchsrain, stockt es. Die Lkw haben Warnblinker an, weiter vorn Blaulicht. Dahinter eine leere Autobahn. Laut Autobahnpolizei Bad Hersfeld musste ein totes Reh von der Fahrbahn geräumt werden. Verzögerung: ein paar Minuten.

Kassel – Echte: Schon nach der Auffahrt riecht es am Nachmittag nach verbranntem Gummi. Bitte jetzt kein Unfall! Es geht weiter: Kurz vor der Landesgrenze überholen zwei Lkw im Überholverbot, der Fahrer von hinten drängelt, der Verkehrsfunk sagt stockenden Verkehr über fünf Kilometer an der Werratalbrücke durch – noch vor der Baustelle. Es staut sich hinter Lutterberg. Autos bilden eine Rettungsgasse. 16.14 Uhr rollt der Verkehr langsam den Berg herunter, vorbei an stehenden Lkw – drei Lastwagen halten sich hartnäckig in der Mitte. Stauwarnschilder am Fahrbahnrand, die dritten seit Kassel. Die Ankunftszeit auf dem Navi rückt noch eine Minute weiter.
Weil die linke Fahrspur bald endet, wechseln Autos jetzt auf die Lkw-Spur, wo es wieder schneller geht. Dafür Stau in der Mitte und ein chaotisches Reißverschlussverfahren kurz vor der Abfahrt Hedemünden.
Bei Northeim das große Baustellenschild: 29,2 Kilometer klingen brutal. Bis Echte geht nichts schneller als 80 km/h auf Fahrstreifen, die teilweise wirklich eine Generalüberholung brauchen. Es rumpelt und wackelt, Teerflicken unter den Reifen. Auf dem Rückweg noch schnell am Rastplatz Herkulesblick ein Foto machen: Geht nicht. Lkw verstopfen die Auffahrt.
Fazit: 50 Minuten Verspätung auf einer Strecke von 311 Kilometern – und glücklich, nicht jeden Tag die Strecke fahren zu müssen.
Lkw Unfälle auf A7 bei Kassel: Unfallreporter berichtet
Unfallreporter sind täglich auf der Autobahn unterwegs. Jens Krannich aus Kirchheim arbeitet von Hünfeld bis Kassel für TVnews-Hessen. Wir haben ihn zur A 7 befragt.
Was merken Sie von den Baustellen auf der A 7?
Jens Krannich: Mich persönlich nerven die Baustellen. Wenn wir

dort zu einem Einsatz fahren, gibt es häufig Probleme, an die Stelle zu kommen. Wir haben in unserem Beruf keine Sonderrechte. Meistens versuchen wir es außerhalb der Autobahn. Dafür haben wir uns sogar mal eine Genehmigung vom Forstamt geholt, um durch den Wald an die Stelle zu kommen. Ich versuche, Unfälle an Baustellen zu vermeiden.
Was sind besonders kritische Stellen auf der A 7?
Krannich: Steigungsstellen, weil viele Lkw dann langsamer fahren. Vor Kurzem erst kam es am Pommer-Anstieg, kurz vor der Baustelle zwischen Bad Hersfeld und Homberg, zu einem Auffahrunfall. Dort staut es sich schnell. Auch das Überholverbot stört die Lkw-Fahrer nicht. An einem Novembertag, Neuschnee, gab es bei einem Unfall kurz vor Homberg kein Durchkommen. Da standen auf der dreispurigen Autobahn fünf Lkw nebeneinander. Das ist nicht mehr Unachtsamkeit, das ist Dummheit. Die Einsatzkräfte mussten gegen die Fahrtrichtung anfahren.
Wie hat sich die Situation auf der A 7 entwickelt?
Krannich: Seit ungefähr 2015 ist es ein bisschen besser geworden. Vorher hatten wir mehr und schwerere Unfälle. Nach meinem Dafürhalten muss noch mehr im Schwerlastverkehr und bei den Kleinlastern (besonders Sprinterklasse) getan werden.