Fordert Ex-Ministerin Kühne-Hörmann Oberbürgermeister Geselle heraus?

Nach 13 Jahren als Ministerin in Wiesbaden ist Eva Kühne-Hörmann nur noch Landtagsabgeordnete. Will sie nun Kasseler Oberbürgermeisterin werden? Im Interview lässt sie eine Kandidatur offen.
Kassel – 13 Jahre lang war Eva Kühne-Hörmann hessische Ministerin – bis der neue Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) die Kasselerin am 31. Mai durch Roman Poseck im Justizressort ersetzte. Nun ist die 60 Jahre alte Christdemokratin nur noch Landtagsabgeordnete. Sie rückte für den ausgeschiedenen Ministerpräsidenten Volker Bouffier nach. Zunächst aufgekommene Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Mandatsübergabe hat der Landeswahlleiter mittlerweile aus der Welt geräumt. Im ersten großen Interview nach ihrem Aus als Ministerin spricht die Kasseler CDU-Chefin und Stadtverordnete auch über eine mögliche Kandidatur für die Oberbürgermeisterwahl 2023.
Wie geht es Ihnen, Frau Kühne-Hörmann?
Ganz gut. Ich war im vierzehnten Jahr Ministerin und bin mit einer kurzen Unterbrechung seit 1995 Landtagsabgeordnete. Das ist wirklich eine lange Zeit, in der ich viel gestalten konnte. Zwei Ministerpräsidenten haben mich berufen und mich mit zwei spannenden Ressorts betraut. Der dritte Ministerpräsident hat die Freiheit, sein eigenes Team aufzustellen. Es gilt der Satz: Alles hat seine Zeit.
Wann haben Sie von Boris Rheins Entscheidung erfahren?
Am Freitagmittag vor seiner Wahl. Wenn man weiß, wie das politische Geschäft funktioniert, musste man das in Betracht ziehen. Ein neuer Ministerpräsident kann einen wieder ins Kabinett berufen oder eben nicht. Die Entscheidung akzeptiere ich, aber ich verhehle nicht, dass ich gerne weitergemacht hätte.
Die schwarz-grüne Koalition hat nur eine Stimme Mehrheit. Es kommt also auch auf Sie an. Kann Boris Rhein sich auf Sie verlassen?
Natürlich. Ich habe ihn mit aufgestellt und mit nominiert und werde ihn weiterhin loyal stützen. Ich werde alles tun, damit wir die Landtagswahl gewinnen. Das habe ich ihm persönlich und auch der gesamten Landtagsfraktion gesagt.
Die Opposition hat sie zuletzt immer wieder hart kritisiert – etwa bei der schleppenden Digitalisierung der Justiz. Ihr Nachfolger Roman Poseck lobt Sie jedoch für Ihre Arbeit bei der Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?
Es ist noch nicht Zeit, Bilanz zu ziehen. Es hat mir sehr viel Freude gemacht, zu gestalten. Viele Großprojekte erfüllen einen mit Stolz – am allermeisten die Tatsache, dass es uns gelungen ist, den Welterbe-Titel nach Kassel zu holen. Aber auch als Justizministerin habe ich große Bauprojekte und Initiativen auf den Weg gebracht.
Wann wollen Sie denn eine Bilanz ihrer 13 Jahre als Ministerin ziehen?
Jetzt noch nicht.
Sie sind jetzt nur noch Abgeordnete. Wie schwierig ist es, nicht mehr an den Schaltstellen der Macht zu sitzen?
Der Landtag ist die Schaltstelle der Demokratie. Die Abgeordneten haben eine starke Stimme. Ich werde meine nutzen, um künftig weiter die Region voranzubringen. Ich will die nordhessischen Interessen gut vertreten. Eine Regierung ist nur so stark wie ihre Abgeordneten. Zudem habe ich schon vor meiner Zeit im Kabinett als Abgeordnete viele Impulse gesetzt. Durch meine Erfahrung bin ich in der Lage, Dinge anzustoßen.
Werden Sie im kommenden Jahr erneut für den Landtag kandidieren?
Ich bin jetzt Landtagsabgeordnete. Alles andere wird sich zeigen.
Haben Sie den Landestag der Jungen Union in Baunatal verfolgt?
Ich habe nur die Berichterstattung in Ihrer Zeitung gelesen.
Der CDU-Nachwuchs hat dort erneut deutliche Kritik an Ihnen geübt. Unter anderem gab es für den neuen Ministerpräsidenten den symbolischen „Sonderpreis für die beste Personalentscheidung am 1. Arbeitstag“ – Ihre Entlassung. Wie sehr schmerzt so etwas?
Ich bin so lange im Geschäft, dass ich das einzuschätzen weiß.
Wird man automatisch so abgehärtet, wenn man so lange im härtesten Parlament Deutschlands sitzt, wie der hessische Landtag auch genannt wird?
Nein, abgehärtet bin ich nicht. Gerade im Politikgeschäft sollte man dafür sorgen, dass das nicht passiert. Nur dann kann man mit Herzblut etwas für die Menschen bewegen. In Wiesbaden geht es sicher härter zu als in anderen Parlamenten, was wahrscheinlich auch an den knappen Mehrheitsverhältnissen liegt. Aber auch dort muss man Anstandsregeln einhalten. Mir war immer wichtig, dass man sich selbst treu bleibt und auch nach harten Auseinandersetzungen in der Sache noch in den Spiegel schauen kann. Beleidigungen und Kritik unter der Gürtellinie gehen gar nicht.
In Wiesbaden gibt es nun keinen Nordhessen mehr im Kabinett. Nicht nur die SPD kritisiert das, sondern auch Politikwissenschaftler, da sich Nordhessen nicht mehr vertreten aber abgehängt fühlen könnte. Wie groß ist diese Gefahr?
Als Abgeordnete werde ich die Interessen Kassels und der Region weiter mit Stolz und starker Stimme vertreten.
Aber Sie werden doch eine Meinung dazu haben, dass es im zwölfköpfigen Kabinett nur noch Südhessen gibt.
Der Ministerpräsident hat das Recht, sein Personal auszuwählen.
Sie hätten als Ministerpräsidentin also anders gehandelt?
Diese Frage stellt sich nicht.
Warum ist die nordhessische CDU nach Ihrem Minister-Aus und dem Abschied des Staatssekretärs Mark Weinmeister in Wiesbaden nicht mehr vertreten?
Die Landesregierung hat extrem viel für Nordhessen getan und ich war sehr gerne daran beteiligt. Daran wird sich nichts ändern.
Es heißt, dass in Kassel nicht wenige wegen Ihnen aus der CDU ausgetreten sind. Wie groß ist die Unzufriedenheit mit Ihnen?
Ich bin gerade erst als Kreisvorsitzende mit einem ordentlichen Ergebnis wiedergewählt worden. Unser Kreisvorstand ist fast paritätisch und mit vielen jungen Leuten besetzt. Ich schließe nicht aus, dass es Kritiker gibt. Aber die gibt es überall. Wir sind gut aufgestellt.
Nun wollen alle wissen: Werden Sie Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) bei der Wahl im März 2023 herausfordern?
Die Partei wird entscheiden, wie es weitergeht.
Das klingt nicht nach einem Nein.
Noch einmal: Es liegt bei der Kasseler CDU. Auch den Zeitplan werden wir gemeinsam festlegen.
Außer Ihnen fallen einem bei der CDU auf Anhieb nicht viele potenzielle Kandidaten ein.
Doch, wir haben geeignete Kandidaten.
In Kassel ist die grün-rote Koalition geplatzt. Die CDU könnte wieder mitregieren. Sehen Sie ein mögliches Bündnis?
Die CDU steht jederzeit bereit, in Kassel mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen. Dazu führen wir Gespräche, um das auszuloten. Klar ist aber auch, dass wir vielschichtige Probleme lösen müssen. Die Stadt muss jetzt die Weichen für die Zukunft stellen. Das geht nicht mit instabilen wechselnden Mehrheiten. Am Ende muss eine Koalition aber auch unsere Handschrift tragen. Die Union ist nicht Mehrheitsbeschaffer um jeden Preis.
Als Landtagsabgeordnete haben Sie vermutlich etwas mehr freie Zeit als zuletzt. Was wollen Sie damit anfangen?
Ich bleibe ein politischer Mensch und sehe noch viele Aufgaben, die angegangen werden müssen. Natürlich freue ich mich darüber, gerade die Zeit mit meiner Familie selbstbestimmter zu verbringen. Es gibt aber auch in der Kommunalpolitik zahlreiche Themen, die mir sehr am Herzen liegen. (Matthias Lohr)