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Kasseler Katholik über den Eklat beim Synodalen Weg: „Amtsbonus der Bischöfe ist futsch“

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Von: Katja Rudolph

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Protest: Zu Beginn der Synodalversammlung der katholischen Kirche in Frankfurt wurden vor dem Eingang Schirme mit Botschaften wie „Meine Kirche ist Bunt“ zur Unterstützung der Vielfalt in der katholischen Kirche hochgehalten.
Protest: Zu Beginn der Synodalversammlung der katholischen Kirche in Frankfurt wurden vor dem Eingang Schirme mit Botschaften wie „Meine Kirche ist Bunt“ zur Unterstützung der Vielfalt in der katholischen Kirche hochgehalten. © dpa

Kassel – Mit Marcus Leitschuh war auch ein Kasseler bei der Synodalversammlung der katholischen Kirche in Frankfurt. Dabei kam es vorige Woche zu einem Eklat, weil die nötige Bischofsmehrheit für ein Reformpapier zur Sexualethik nicht zustande gekommen war. Wir sprachen darüber mit Leitschuh, der die Laien im Bistum Fulda in dem Gremium vertritt.

Marcus Leitschuh
Marcus Leitschuh, Mitglied in der Synodalversammlung © Fischer, Andreas

Mit ein paar Tagen Abstand: Wie haben Sie die Synodalversammlung erlebt?

Zwischen Schock und Optimismus. Der Donnerstagabend war der schlimmste Moment in meinem ehrenamtlichen Leben in der katholischen Kirche. Dass das Papier zur kirchlichen Sexualmoral trotz insgesamt 82 Prozent Zustimmung durch die Sperrminorität einiger Bischöfe abgelehnt wurde, hat uns eiskalt erwischt. Es gab Synodale, die in Tränen ausgebrochen oder zusammengebrochen sind. Ich selbst bin fassungslos durch den Raum gelaufen. An diesem Papier wurde zwei Jahre transparent gearbeitet. Der erste Entwurf bekam eine Mehrheit zur Weiterarbeit, die meisten der 200 Änderungsanträge wurden angenommen. In der Aussprache vor der Abstimmung gab es kaum Wortmeldungen. Es sah alles danach aus, dass es eine Mehrheit gibt.

Stattdessen stimmten 21 von 57 Bischöfen dagegen.

Es ist völlig ok, wenn ein Text keine Mehrheit bekommt. Es hatten sich aber nur wenige Bischöfe als Gegner der Reform zu erkennen gegeben. Die Formulierung „konservative Heckenschützen“ finde ich da sehr treffend. Man kann aber genauso von Faulheit sprechen: Die betreffenden Bischöfe wollten sich offenbar gar nicht mit dem Thema auseinandersetzen. Nur wenige haben an Vorgesprächen teilgenommen oder mitgearbeitet.

Oder haben sie im Wissen um die bischöfliche Zwei-Drittel-Mehrheit einfach ihre Macht ausgenutzt?

So ist es. Zuletzt wurde mit Funkgeräten abgestimmt, im Prinzip war die Abstimmung dadurch geheim. Ich hatte das vorher eher als Chance gesehen, dass auch einige Bischöfe aus konservativem Umfeld in der Anonymität mit Ja stimmen würden. Das Gegenteil ist eingetreten. Ich vermute, dass die betreffenden Bischöfe sich an einzelnen Details des Papiers festgebissen haben. Vielleicht auch bei Themen, mit denen sie sich nie beschäftigt haben wie Diversität. Dabei haben sie offenbar die großen Linien das Papiers aus den Augen verloren: Liebe, Treue, Ehe, Verantwortung und Fruchtbarkeit – diese Begriffe tauchen an ganz vielen Stellen auf. Das sind keine Randpositionen von irgendwelchen durchgeknallten Sonderlingen. Es geht darum, die Situation sehr vieler, ganz normaler Katholikinnen und Katholiken anzuerkennen.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel von homosexuell lebenden Menschen oder von wieder verheirateten Geschiedenen. Oder von Ehepaaren ohne Kinder. Sie sollen sich nicht mehr als Ehen zweiter Klasse fühlen müssen. Das kann man doch nicht einfach so wegbügeln, ohne wenigstens zu sagen: Können wir hier oder da noch etwas ändern, damit der Text im Ganzen zustimmungsfähig ist? Der Witz an der Sache ist ja: Die Bischöfe haben die Themen in ihrer Not vorgeschlagen und uns gebeten, gemeinsam daran zu arbeiten – um es dann durch eine Minderheit abzulehnen.

Es gab Stimmen, dass es kaum noch möglich sei, konservative Positionen zu vertreten, ohne Entrüstung zu ernten. Können Sie das nachvollziehen?

Das halte ich für ein großes Märchen. Wir reden hier von gestandenen Bischöfen, die ein Bistum leiten. Die werden mit Chauffeur hergefahren, und der Referent bereitet die Sitzung vor. Die sind im Prinzip Ministerpräsidenten gleichgestellt. Da kann man doch erwarten, dass sie offen ihre Meinung sagen. Sonst sind sie einfach fehl am Platz. Gern bringen Bischöfe das Argument vor, sie hätten dem Papst Treue geschworen und könnten deshalb nicht anfangen, die Dinge von unten zu verändern. Aber es gibt für Hirten auch eine Treuepflicht gegenüber der Herde, also uns Christinnen und Christen, deren Anregungen und Wünsche dem Papst vorzutragen. Um mehr ging es gar nicht.

Wie hat sich das Gesprächsklima in der Synodalversammlung verändert?

Der Synodale Weg stand auf der Kippe. Die Laien waren kurz davor, nach Hause zu fahren. Allerdings haben auch viele Bischöfe das Votum als Schock empfunden. In der Folge wurde dann nur noch namentlich und nach internen Probeabstimmungen der Bischöfe abgestimmt. Auch unser Fuldaer Bischof Michael Gerber hat sich sehr dafür eingesetzt, dass alle weiteren Anträge durchgehen. Insofern war es auch ein heilsamer Schock. Er hat zu einer völligen Veränderung der Gesprächskultur geführt. Plötzlich wurde sehr genau Kritik begründet und nach Lösungen gesucht. Letztlich sind dann sehr wichtige Papiere wie das zu Frauen in sakramentalen Ämtern und Diensten sowie zur Neubewertung von Homosexualität beschlossen worden. Die Botschaft am Samstag war: Wir können auch anders.

Es war die vorletzte Synodalversammlung. Was kann sich jetzt noch bewegen?

Ich sprach eingangs von Optimismus. Das ist ja das Verrückte: Wir haben den Tiefpunkt des Synodalen Wegs erlebt, aber vielleicht auch einen positiven Wendepunkt. Es sieht so aus, als ob wir zeitlich alle Themen abarbeiten können. Und mit dem Synodalen Rat wurde ein Nachfolgegremium auf den Weg gebracht, das die Reformen der katholischen Kirche vorantreiben soll. Ich glaube, dass das Selbstbewusstsein der Laienvertreter und mutigen Bischöfe durch den Eklat gewachsen ist. Die konservativen Bischöfe haben sich einen Bärendienst erwiesen. So wie einige sich verhalten haben, hat das für mich nichts mehr mit Hirte zu tun. Der Amtsbonus ist futsch. Man kann nicht vorgeben, sich auf Augenhöhe in eine Synodalversammlung zu setzen und in Wahrheit denken: Ich schweige mich hier durch und bin daheim dann wieder König.

Bischof Bätzing als Präsident des Synodalen Wegs sprach von einer Kirche der zwei Geschwindigkeiten. Steht die katholische Kirche in Deutschland gar vor einer Spaltung?

Einige Bischöfe hatten sich offenbar abgespalten. Eine Spaltung der Kirche sehe ich nicht. Aber es ist deutlich geworden, dass ein Riss durch die Bischofskonferenz geht. Da von Geschwindigkeiten zu sprechen, ist mir zu positiv formuliert. Das klingt so, als ob alle unterwegs wären, nur eben manche mit einem langsameren Auto. Der Donnerstag hat aber gezeigt, dass viele noch gar nicht eingestiegen sind. Das ist eine verheerende Botschaft für all jene, die schon an der katholischen Kirche zweifeln. Und auch ein mieses Signal an alle, die sich in der Kirche engagieren. Stellen Sie sich mal vor, die Pfarrgemeinden vor Ort würden sich die Bischöfe und ihre merkwürdige Gesprächskultur zum Vorbild nehmen. Das wäre eine Katastrophe. (Katja Rudolph)

Zur Person

Marcus Leitschuh (49) stammt aus Kassel und ist seit über 20 Jahren Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken (ZdK). Vom ZdK wurde er als Vertreter der Laien im Bistum Fulda in die Vollversammlung des Synodalen Wegs gewählt. In seiner Gemeinde St. Elisabeth engagiert er sich im Pfarrgemeinderat. Zudem ist er Autor mehrerer Bücher zu Kirchenthemen. Im Hauptberuf ist Leitschuh als Rektor an der Freiherr-vom-Stein-Gesamtschule in Immenhausen tätig und unterrichtet Religion und Deutsch. Zudem ist er Mitglied der CDU-Stadtverordnetenfraktion sowie im Kasseler Karneval als „Fullefischer“ bekannt. Leitschuh ist verheiratet und lebt in Kirchditmold.

Service: Gerade erschienen ist das Buch „Wir können auch anders!“ über den Beitrag der Orden zum Synodalen Weg von Marcus Leitschuh und Schwester Katharina Kluitmann (Vier-Türme-Verlag, 20 Euro).

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