Nur in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wird an Schulen Türkisch als zweite Fremdsprache unterrichtet, weshalb jetzt auch die hessischen Pilotschulen nach dem nordrhein-westfälischen Curriculum arbeiten müssen, solange bis ein entsprechend hessisches rechtskräftig geworden ist. „Voraussetzung für uns, das Projekt anzugehen, war, dass es in Kassel die Möglichkeit geben wird, Türkisch auch in der Oberstufe weiterzuführen“, sagt Becker. Die Leistungen der Schüler müssten in eine Abiturprüfung und ein Studium münden können. Ihm sei vom Ministerium zugesagt worden, dass die Schüler, die jetzt mit Türkisch beginnen, in vier Jahren die Fremdsprache in Kassel bis zum Abitur weiterlernen können.
Kritik am zögerlichen Umgang mit dem Wahlpflichtfach Türkisch kommt von hessischen Organisationen wie dem Elternbund, der Landesschülervertretung, der GEW und der türkischen Gemeinde. Sie fordern, dass Türkisch „umgehend“ flächendeckend als Fremdsprache im Wahlpflichtbereich der weiterführenden Schulen aufgenommen wird. Bei keiner anderen Fremdsprache habe das Kultusministerium bisher ein Pilotprojekt für notwendig erachtet.
Einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum neuen schulischen Angebot Türkisch als zweite Fremdsprache hat GAZ-Schulleiter Dominik Becker jetzt erreicht, indem er eine geeignete Lehrerin gefunden hat. Eine junge Doktorandin an der Uni Kassel mit entsprechenden fachdidaktischen Voraussetzungen wird ab September mit zunächst vier Wochenstunden unterrichten. Denn es reiche als Qualifikation natürlich nicht aus, Lehrer und Muttersprachler zu sein, wie sie im Kollegium der GAZ durchaus vorhanden sind. Voraussetzung seien didaktische Kenntnisse, um die Fremdsprache Türkisch zu unterrichten. Hier müsse auch die Lehrerausbildung entsprechend mitziehen, so Becker. Zehn Schüler sind im hessischen Pilotprojekt für eine Lerngruppe vorgesehen, sieben künftige Siebtklässler haben sich an der GAZ bereits angemeldet.
Selbstverständlich richte sich Türkisch als zweite Fremdsprache an alle Schüler, auch an solche, die keine Vorkenntnisse haben. Es müsse beim Erlernen der Sprache bei null angefangen werden. „Das Angebot ist für uns eine Herausforderung, aber ich bin davon überzeugt, dass es ein guter Weg ist“, sagt Dominik Becker.
„Hätte ich die Möglichkeit gehabt“, ich hätte sofort Türkisch als zweite Fremdsprache gewählt“, sagt Semih Altindal. Der 16-jährige Schulsprecher, der an der GAZ eine neunte Klasse besucht, hat einen türkischen Vater und spricht fließend Türkisch. Der Vater habe sich immer bemüht, dass seine Kinder in der deutschen Umgebung auch türkische Bücher lesen können, sagt Semih Altindal. Aber es sei doch ein Unterschied, ob man auch die Grammatik gelehrt bekommt und einen differenzierteren Wortschatz als das Türkisch, das in der Familie gesprochen wird. „Schreiben ist so eine Sache. Ich sehe da bei mir durchaus Defizite“, sagt Semih. Er glaubt, dass das neue Angebot an der GAZ ein Renner werden kann.