„Das war mein Leben“: Stoffhaus am Kö gibt Stammsitz in Kassel auf
Nach 54 Jahren schließt das Stoffhaus am Kö zum 1. Juli seinen Stammsitz. Erst vor kurzem war das Geschäft wieder in das Hauptgebäude in Kassel zurückgezogen.
Kassel – Als Firmengründer Alfred Kaune am 2. Mai 1969 das „Stoffhaus am Kö“ – nämlich an der Kölnischen Straße in Kassel – eröffnete, hatte Tochter Sylvia eine besondere Aufgabe: Die Neunjährige begrüßte damals die erste Kundin des Geschäfts für „Stoffe, Mode- und Kurzwaren“ im neu errichteten und nach einer Versicherung benannten Universa-Hochhaus mit einem Blumenstrauß.
In einigen Wochen will Sylvia Kaune wieder Blumen überreichen – und zwar an die letzte Kundin oder den letzten Kunden im Stoffhaus am Kö. „Der Kreis wird sich schließen“, sagt die 63-Jährige, die Mitte der 1990er-Jahre die Geschäfte von ihrem Vater und Firmengründer Alfred Kaune übernahm.

Kündigung des Mietvertrages ausschlaggebend für Schließung in Kassel
Zum 1. Juli wird an der Kölnischen Straße eine Ära in Kassel enden. Wie bereits am Mittwoch in einer HNA-Anzeige zu lesen war, wird das Stoffhaus am Kö nach 54 Jahren schließen. Der Räumungsverkauf mit Rabatten von 10 und bis zu 30 Prozent läuft bereits.
„Wir geben unser Stammhaus auf. Das ist schon traurig. Das war mein Leben“, sagt Sylvia Kaune. Den ersten Anstoß zu der Entscheidung, den Standort aufzugeben, habe die Kündigung des Mietvertrages gegeben. Die Räumlichkeiten habe die GWH Wohnungsgesellschaft mbH Hessen als Gebäudeeigentümerin Anfang 2022 gekündigt und in diesem Zusammenhang eine umfangreiche Innen- und Außensanierung des Hauses angekündigt.
Die Kündigung sei für den Betrieb in ohnehin wirtschaftlich schweren Zeiten durch die Folgen der Corona-Pandemie, der Energiekrise und der Inflation gekommen und habe daher im vergangenen Jahr einiges in Bewegung gesetzt, berichtet Kaune. Am Ende aller Abwägungen habe die Entscheidung gestanden, den Stammsitz an der Kölnischen Straße aufzugeben.

Alfatex expandiert über Kassel hinaus
Wo der Familienbetrieb im Mai 1969 in Kassel seinen Anfang nahm, wird Ende Mai 2023 also Schluss sein. Für eine Übergangszeit hatte sich das Stoffhaus am Kö in der im Jahr 1991 eröffneten und direkt angrenzenden Kurfürstengalerie befunden. Seit fast zwei Jahren sei man aber wieder in einem Teil des Ursprungsgebäudes zurück, habe dadurch auch den alten Haupteingang wiederbekommen. Die 14 Beschäftigten des Stoffhauses würden mit in den verbleibenden Kasseler Alfatex-Standort am Lutherplatz wechseln. „Alle wollen mitgehen“, freut sich die Geschäftsführerin.
Das Stoffhaus am Kö war für den traditionsreichen Familienbetrieb nicht nur der Stammsitz, sondern auch die Keimzelle für die Expansion der Alfatex-Gruppe. Mit bis zu elf Filialen und fast 300 Beschäftigten in der Höchstzeit galt das Kasseler Unternehmen als bundesweit größtes privates Fachgeschäft für Modestoffe, Gardinen, Haustextilien und Kurzwaren.

In Kassel wird davon auch über den 1. Juli hinaus der Standort am Lutherplatz bleiben – nach dem Räumungsverkauf und nach Sylvia Kaunes letzter Blumenübergabe im Stoffhaus am Kö. (Andreas Hermann)