Versuchter Mord? Auf Polizistin zugefahren - 34-Jähriger vor Gericht
Erst soll er auf der Autobahn rücksichtslos gefahren sein - alkoholisiert und ohne Fahrerlaubnis. Dann soll er in Kassel bei einer Kontrolle eine Polizistin fast umgefahren haben. Jetzt steht der 34-Jährige vor Gericht.
Kassel – Ein 34 Jahre alter Mann aus Göttingen muss sich seit gestern vor dem Landgericht Kassel verantworten. Ihm wird versuchter Mord vorgeworfen. Der Angeklagte soll bei einer Kontrolle in Kassel den Tod einer Polizeibeamtin billigend in Kauf genommen haben – in der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken.
Dabei geht es um einen Fall aus dem Juli 2020. Damals soll der Angeklagte schon während der Fahrt mit einem Mercedes Cabrio über die Autobahn von Göttingen nach Kassel auffällig geworden sein. Auf Höhe der Werratalbrücke soll er andere Verkehrsteilnehmer rechts überholt, in Gefahr gebracht und einem Autofahrer den Mittelfinger gezeigt haben – im alkoholisierten Zustand von bis zu 2,3 Promille und ohne die nötige Fahrerlaubnis.
In Kassel – so trug es Staatsanwältin Kremser-Bach vor – hatte die Fahndung nach dem Mann Erfolg. Eine Polizeistreife wurde auf den damals 31-Jährigen aufmerksam. Bei der Kontrolle in der Mauerstraße soll er dann aufs Gaspedal getreten haben, als eine Polizeibeamtin direkt vor seinem Fahrzeug stand und sich ein weiterer Polizist in unmittelbarer Nähe befand. Die Frau konnte sich – so bestätigte sie es selbst als Zeugin – dank eines Satzes zur Seite in Sicherheit bringen, ihr Kollege wurde vom Außenspiegel des Autos erfasst und verletzt. Während seiner Flucht soll der Angeklagte in Kassel dann mit Tempo 150 versucht haben, einer weiteren Streife zu entkommen. Schließlich wurde er gefasst. In der Folge verbrachte der Mann fast ein Jahr in Untersuchungshaft.
Nun steht er vor Gericht. In seiner Erklärung, die sein Verteidiger verlas, räumte er ein, betrunken gewesen zu sein und den Verkehr gefährdet zu haben. Allerdings wehrte er sich gegen den Vorwurf, er habe den Tod der Beamtin billigend in Kauf genommen. Er will sein Verhalten mit dem Einsatz von Standgas als Hinweis an die Beamten verstanden wissen, dass sie sich hätten entfernen sollen: „Ich wollte nur weg.“
Ferner deutete der Angeklagte an, dass ein früherer Aufenthalt im Gefängnis und der Tod seiner Großeltern ihn völlig aus der Bahn geworfen hätten. Er konsumierte Drogen, trank Whisky in großen Mengen. Er sagte: „Ich wusste nichts mit mir anzufangen.“ Und: „Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle.“ In diese Phase fiel jene Fahrt im Juli 2020.
Mittlerweile will er sein Leben besser im Griff haben. Darauf weist er selbst hin. Als eine Art Beleg führt er auch an, dass er 42 Kilogramm abgenommen hat. (Denise Dörries und Florian Hagemann)