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Ausstellung im Schloss Wilhelmshöhe: „Bergpark Reloaded“ öffnet am Museumstag

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Von: Mark-Christian von Busse

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Ambitionierte Pläne: Ein Motiv aus der digitalen Rekonstruktion der ursprünglichen Vorstellungen von Landgraf Carl für den Bergpark.
Ambitionierte Pläne: Ein Motiv aus der digitalen Rekonstruktion der ursprünglichen Vorstellungen von Landgraf Carl für den Bergpark. © HKH

„Bergpark Reloaded“ heißt die Ausstellung, die ab Sonntag im Museum Schloss Wilhelmshöhe zu sehen ist. Im Fokus: die Ursprünge des heutigen Unesco-Weltkulturerbes.

Kassel – Ein Höhepunkt der Ausstellung „Bergpark Reloaded“, die morgen im Museum Schloss Wilhelmshöhe eröffnet wird, wartet fast am Ende des Parcours auf Besucher: Es ist die digitale Rekonstruktion der ursprünglichen Pläne für die Hangkante am Habichtswald, die ein Areal vom Herkules bis unterhalb des heutigen Schlosses umfassten.

Zum zehnten Jahrestag der Aufnahme des Bergparks in das Welterbe der Unesco widmet sich die Ausstellung den Anfängen dieses einmaligen Beispiels monumentaler Baukunst im Absolutismus: Im Fokus steht, was Landgraf Carl im Sinn hatte – Hessen Kassel Heritage schreibt ihn seit der großen Ausstellung zum Fürsten 2013 im Fridericianum durchgängig mit C. Es war ein ehrgeiziges, gigantisches, auch utopisches Projekt, wie Kurator Justus Lange, Leiter der Gemäldegalerie Alte Meister, sagt.

Ein zwölfminütiger Film in bestechender Qualität ermöglicht einen faszinierenden virtuellen Einblick in das Kaskadenprojekt – eine Art Drohnenflug über Wasserbecken und Fontänen, Treppenanlagen, prachtvolle barocke Gärten und einen riesigen Schlossneubau. Den hat jedoch erst Landgraf Wilhelm IX., der spätere Kurfürst Wilhelm I., ab 1786 in mehreren Etappen erbauen lassen.

Idealplan des Carlsbergs: Stich von Giovanni Francesco Guerniero und Alessandro Specchi von 1706.
Idealplan des Carlsbergs: Stich von Giovanni Francesco Guerniero und Alessandro Specchi von 1706. © Privat

Ermöglicht hat das virtuelle Idealbild eine Zusammenarbeit von HKH mit dem Fachgebiet Digitales Gestalten an der Technischen Universität Darmstadt. Ein vierköpfiges Team, auf Kasseler Seite geleitet von Micha Röhring, hat eineinhalb Jahre daran gearbeitet.

Ausgestellt sind die Grundlagen für den interaktiven Rundflug: die Stiche des italienischen Architekten und Wasserbauers Giovanni Francesco Guerniero, den Landgraf Carl für die Verwirklichung seiner Pläne ab 1701 gewonnen hatte und der 1715 nach Rom zurückkehrte, woraufhin das Bauprojekt bald zum Erliegen kam.

Außerdem die Gemälde, mit denen die versierten Architekturmaler Jan und sein Sohn Rymer van Nickelen Carls Vorstellungen ins Bild setzten. Der Landgraf hatte sie aus Düsseldorf abgeworben. Er wollte jeweils nur „das Beste vom Besten“, die Meister ihres Fachs, sagt Lange – wenn er daran interessiert war. Auf anderen Feldern war er sparsam.

Service zur Ausstellung im Schloss 

„Bergpark Reloaded“ (was so viel heißt wie umgeladen, erneut beladen) wird am Sonntag, 21. Mai, 11 Uhr im Ballhaus eröffnet. Marc Grellert, Leiter des Forschungsbereichs Digitale Rekonstruktion an der TU Darmstadt, erläutert das Bergpark-Modell. Die Ausstellung ist bis zum 17. September zu sehen, geöffnet Di-So und feiertags, 10 bis 17 Uhr. Eintritt 6 (ermäßigt 4) Euro, bis 18 Jahre und Studierende der Universität Kassel frei. Führungen finden sonntags ab 15 Uhr statt. Zur Ausstellung ist ein attraktiver Band der Magazin-Reihe „More About“ erschienen (166 Seiten, 7,50 Euro).

Bei dem aus heutiger Sicht maßlos anmutenden Bauvorhaben ging es nicht nur um Eitelkeiten eines absolutistischen Herrschers, erläutert HKH-Direktor Martin Eberle, sondern um „handfeste Politik“ und Wirtschaftsinteressen. Ein Ziel war beispielsweise, englische Adelige auf ihrer „Kavalierstour“ durch Europa nach Kassel zu locken. Genauso kam es zu frühen Formen von Industriespionage, wenn Abgesandte anderer Höfe herauskriegen wollten, wie das denn in Kassel funktioniert mit den spektakulären Wasserspielen.

Beeindruckt waren Gäste auch vom Holzmodell des Bergparks mit Ausmaßen von sage und schreibe 63 Metern Länge, zehn Metern Höhe und sechs Metern Breite, das zeitweise in einem „Modellhaus“ am Königstor zu sehen war. „Zu napoleonischen Zeiten wurde es wahrscheinlich zu Brennholz verarbeitet“, erzählt Lange.

Inspiriert worden war Carl auf einer Italienreise, die er 1699/1700 – anfangs inkognito – unternommen hatte, vor allem in Tivoli und Frascati. Ein anderer Bezugspunkt war der Hof von Versailles. Entsprechend unterschiedlich waren die Vorstellungen für das Schloss. Bei den van Nickelens handelt es sich um eine Dreiflügelanlage nach französischem Vorbild, bei Guerniero eher um einen Palastbau wie in Rom.

Für das Oktogon waren anfänglich zwei Pyramiden mit Kolossalstatuen als fürstliche Vorbilder vorgesehen. Neben dem Tugendhelden Herkules war eine Minerva geplant – die Schutzgöttin der Wissenschaften und Kriegsgöttin.

Das Programm am Museumstag

Der Internationale Museumstag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Nachhaltigkeit und Wohlbefinden“. Bei freiem Eintritt gibt es in den Kasseler Museen – von der Grimmwelt bis zum Technik-Museum und dem Bademuseum im Kurbad Jungborn – ein umfangreiches Programm. Eine Auswahl:

Im Fridericianum wird in der Installation von Kerstin Brätsch eine „Mimikry-Bibliothek“ für Kinder mit Büchern zum Entdecken eröffnet, es gibt Köstlichkeiten, Getränke und kreative Workshop-Stationen zu Dinosauriern. Führungen finden statt zu Themen wie den Krabben und Algen bei Roberto Cuoghi, dessen Einzelausstellung am 29. Mai zu Ende geht.

Im Stadtmuseum dreht sich das Programm um die Ausstellung „Kassel filmreif!“ – etwa mit den Führungen „Von Popcorn, Stars und Kamerafahrten“ (12 Uhr, um 13 Uhr für Kinder) und mit einer Fahrradtour (15 Uhr). Ebenfalls um 15 Uhr startet die Themenführung „Schdammdischmaguggen – vom Salon der Kurfürstin bis zur Pvunzel“.

Im Naturkundemuseum im Ottoneum geht es um Elefanten im Kontext von Kultur und Artenschutz und die Frage, ob die grauen Riesen im Zeitalter der Menschen überleben können (11 und 14 Uhr). Um 13 Uhr Familienführung zu Nordhessen vor 12 000 Jahren.

Ein Rundgang durch 300 000 Jahre (nord-)hessische Landes- und Kulturgeschichte ermöglicht das Hessische Landesmuseum. Um 14 Uhr beginnt dort eine Mundartführung („Schnuddeln mit Mariechen“).

In der Reihe „Glanzstücke“ informiert eine Führung in der Neuen Galerie ab 15 Uhr über die Nazarener („Eine romantische Bruderschaft“).

Führungen im Henschel-Museum: 11, 13 und 15 Uhr.

Carl selbst, dem Kassel sein Weltkulturerbe verdankt, eröffnet und beschließt die von dem Designer-Büro „pingundpong“ und Alexander Poetzsch Architekten aus Dresden in kräftigem Dunkelblau und Rosa, mit Nischen und Vorhängen gestaltete Ausstellung: mit einer Monot-Büste und einem repräsentativen Familienbildnis Philipp van Dijks. Wer eine Führung mitmacht, kann den Landgraf in Rüstung durch die Rekonstruktion seines Bergparks spazieren sehen – er lässt sich steuern wie im Computerspiel.

Eine Anwendung, die das Digitalteam ausbauen könnte, sofern es finanziell machbar ist. Zu einem eindrucksvollen Ergebnis ist es bereits gekommen: Die Vorstellungen des Landgrafen hätten sich, was das Höhenprofil und die Anschlusspunkte der Wasserläufe betrifft, verwirklichen lassen.

Eine andere Frage kann auch die digitale Rekonstruktion nicht beantworten – nämlich warum das Bauprojekt gestoppt wurde. Die HKH-Experten vermuten, dass es schlicht zu teuer wurde. Immerhin hätten die Arbeiten vermutlich noch Jahrzehnte gedauert. Zudem wandelten sich Zeitgeist und Geschmack. Erst spätere Landgrafen sollten die barocken Wasserspiele im Sinne eines englischen Landschaftsgartens ergänzen.

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