Kassel. Johannes Ruhl (1731 - 1794) war mit seiner Frau Martha Cathrina Dilling (1732 - 1807) Begründer einer ruhmreichen Künstler- und Baumeister-Dynastie in Kassel.
Nach der berühmten Familie Ruhl ist in Kassel eine kleine Sackgasse zu Beginn der Wilhelmshöher Allee, nahe der Volkshochschule, benannt.
Die Söhne waren zunächst alle bei Hofe beschäftigt. Einen überregionalen Namen machte sich Sohn Johann Christian Ruhl, der am 15. Dezember 1764 in Kassel zur Welt kam und hier 1842 auch starb. Er war als Bildhauer, Illustrator und Architekt tätig. Bildhauerei hatte er bei Hofbildhauer Johann August Nahl d. J. studiert. Seine Karriere machte er als Hofbildhauer und Professor an der Kasseler Akademie der bildenden Künste. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts arbeitete Johann Christian Ruhl gemeinsam mit Karl Heinrich Schwarzkopf als Modelleur für die Porzellanmanufaktur Fürstenberg in Fürstenberg an der Weser. Dort schuf er unter anderem die Büsten Königs Jérôme von Westfalen und seiner Ehefrau Katharina von Württemberg aus Biskuitporzellan. Danach durfte er den Titel „Sculpteur du Roi“ tragen.
Ruhls am Fuße der Wilhelmshöher Allee (Königsstraße 1 / Ecke Friedrichsstraße) erworbene, von Heinrich Christoph Jussow entworfene Villa war ein beliebter Treffpunkt für die Künstler und Meinungsmacher der Zeit. Hier verkehrten unter anderem die Brüder Grimm und die romantischen Schriftsteller Clemens und Bettina Brentano sowie Achim von Arnim.
Johann Christian Ruhls Söhne hatten ebenfalls großes künstlerisches Talent und Geschick und gelangten in ihren Berufen zu Ruhm und Ehre: Der älteste Sohn war der Maler und Akademiedirektor Ludwig Sigismund Ruhl (geboren am 10. Dezember 1794 in Kassel, gestorben am 7. März 1887 in Kassel).
Dessen jüngerer Bruder Julius Eugen Ruhl war Oberhofbaumeister, bekannter Architekt und erster Direktor der kurhessischen Staatsbahn. Zu seinen herausragenden Verdiensten in Kassel gehört der Entwurf des Ständehauses, heute der Hauptsitz des Landeswohlfahrtsverbands am Ständeplatz. Das in der Zeit von 1834 bis 1836 entstandene Haus war das erste Parlamentsgebäude in Hessen.
Ruhl war Schüler des Hofbaumeisters Heinrich Christoph Jussow. Nach Studien in Italien war er nach Kassel zurückgekehrt.
Nach seinen Entwürfen, ganz im Stil der italienischen Neorenaissance, wurden zahlreiche Bahnhöfe in Nordhessen erbaut. Das Ständehaus wurde im Laufe seiner Geschichte mehrfach erweitert. Nach der Kasseler Bombennacht 1943 mussten erhebliche Kriegsschäden beseitigt werden. (chr)