Schwertkämpfer duellieren sich vor der Löwenburg

Ein großes Mittelalter-Treiben mit vielen Attraktionen lockte rund 5000 Besucher auf den Turnierplatz vor der Löwenburg in Kassels Bergpark.
Kassel – Die Schwertkämpfer vor der Löwenburg schenken sich nichts: Unter ihren markigen Rufen klirrt Eisen auf Eisen, wenn die Klingen aufeinanderschlagen. Die einstudierten Kampfszenen wirken teilweise so echt, dass ein Raunen durch die dichte Zuschauertraube um den Turnierplatz geht.
Am Samstag und Sonntag (23./24.4.2022) war das Gelände vor der künstlichen Burgruine zu einem mittelalterlichen Marktflecken umgestaltet, dessen Attraktionen an beiden Tagen um die 5000 Besucher in den Bergpark lockten. An rund 45 Ständen zeigten urig gewandete Löffelschnitzer, Töpfer und andere Handwerker ihre Künste und ließen sich gerne über die Schulter schauen.
So wie Bogenschnitzer Henning Schrader aus dem Harz, der einer seiner Holzwaffen für Nachwuchs-Ritter schmirgelnd den letzten Schliff verpasst. Mindestens zwei Stunden Arbeit, oft aber ein Vielfaches davon brauche er dafür: „Das kommt auf die Bauweise an und welches Holz ich habe“. An anderen Ständen werden Waldglas, Amulette und allerlei historische Utensilien feilgeboten.
Das trifft den Geschmack vieler eingefleischter Mittelalter-Fans, die teils aufwändig kostümiert zur Löwenburg gekommen sind. „Mal in eine andere Rolle schlüpfen“ – das reizt auch Julia Sikira aus Fuldabrück. Mit feuerrotem Haar ist sie im romantisch-geheimnisvollen Historik-Look gewandet, Töchterchen Melina auf dem Arm trägt ein Ganzkörper-Einhorn-Kostüm.
Solche Outfits bedeuteten Rabatt beim Eintrittspreis, die Veranstalter setzten so auf eine Belebung der Szenerie und zeigten sich tolerant, was die historische Detailgetreue angeht. „Es sind einige schräge Typen hier“, hatte auch Organisator Henri Bibow mit wohlwollendem Amüsement bemerkt. Unter Rittersleute und Marketender, Burgfräulein und Kräuterweiber hatten sich auch Steampunks, Barockdamen und sonstige Cosplay-Gestalten gemischt. Gern und immer wieder standen die Kostümierten Modell für Schnappschüsse anderer Besucher.

Das sei „die Magie“ solcher Mittelalter-Feste, sagte Bibow, der mit seiner Torgauer Agentur „Sündenfrei“ bundesweit 50 solcher Events pro Jahr organisiert: dass es immer wieder Neues, Überraschendes zu entdecken gebe und damit insbesondere für Familien ein Erlebnis sei.
In dieser Hinsicht hatte die Veranstaltung mit 130 historischen Markt-Akteuren und 25 Künstlern einiges zu bieten. Im Wechsel mit den Schwertkampf-Shows der tschechischen Stunt-Truppe Amiger zeigte der Hochseil-Artist Walter von der Heide Purzelbäume und andere Kapriolen in luftiger Höhe. Dann wieder geisterten fantasievoll kostümierte Waldwesen auf Stelzen durch die Publikumsmenge, während auf einer Bühne magische Tricks und mittelalterliche Klänge von Spielleuten das Publikum in ihren Bann zogen.
Etliche Essensstände boten Rustikales zum Schlemmen und Naschen mit szenetypischer Etikettierung. Für den „Batzen Fleisch vom Schwein, gewürzt mit allerlei magischen Kräutern“ stand eine immense Schlange von Hungrigen an. Einige Schritte weiter wurde Popcorn unter der Bezeichnung „Odins Popel“ feilgeboten, die blau gefärbte Zuckerwatte fand als „Elfenhaar“ einigen Zuspruch. Mittelalter ist, was Spaß macht und die Fantasie beflügelt – auf diesen Nenner lässt sich die Anziehungskraft solcher Veranstaltungen bringen. Die einen schätzen die Familienfreundlichkeit, die anderen lieben die Selbstdarstellung. Die Löwenburg, eine um das Jahr 1800 herum errichtete Fake-Ritterbehausung, sei dafür genau der passende Ort, sagt Organisator Bibow mit selbstironischem Blick auf sein Mittelalter-Völkchen: „Wir sind ja selber Fake.“ (Axel Schwarz)