Vögel bei Brut gestört: Behörde verhängt Baustopp auf Baustelle

An einer Wohnanlage an der Wilhelmshöher Allee in Kassel fühlen sich Mauersegler, Stare, Spatzen und Amseln zuhause. Weil die Vögel gestört wurden, mussten jetzt Sanierungsarbeiten an den Häusern gestoppt werden.
Unweit des Bergparks gibt es ein kleines Paradies für Vögel. Durch die Häuserzeilen der Wohnanlage an der Wilhelmshöher Allee 329 bis 331 fliegen Mauersegler Stare, Spatzen, Amseln und sogar die eher seltene Wacholderdrossel. Doch dieses Naturidyll wurde nun durch Sanierungsarbeiten an den Häusern gestört. Handwerker hatten offenbar die Brutstätten von Mauerseglern und Spatzen – auch Haussperlinge genannt – zerstört. Nach einer Intervention durch den Nabu, sorgte die Untere Naturschutzbehörde für einen Stopp der Arbeiten.
Bereits vergangene Woche war einer Anwohnerin aufgefallen, dass durch die Arbeiten am Dach der Häuser die brütenden Vögel in Unruhe gebracht wurden. Sie informierte Martin Lange vom Nabu Kaufungen-Lohfelden. Der Experte und die Anwohnerin versuchten mehrfach, die Untere Naturschutzbehörde bei der Stadt Kassel zu informieren, doch erreichten sie dort niemanden. Auch am Montagvormittag liefen Langes Anrufe ins Leere, also verschaffte er sich selbst ein Bild vor Ort.
Er habe sofort erkannt, dass keine Rücksicht auf die brütenden Tiere genommen worden sei, die ihre zahlreichen Brutstätten unter den Traufblechen angelegt hatten. „Mauersegler bauen keine Nester und sind auch keine typischen Baumbrüter. Sie brüten in Häusernischen. Für sie sind die Gebäude ein Ersatz für die Felsen“, sagt Lange. Die Insekten-Nahrung für die Aufzucht würden sie im nahe gelegenen Bergpark zahlreich finden.
Weil er keine weitere Zeit verstreichen lassen wollte, erstattete er Anzeige bei der Polizei. Denn laut Naturschutzgesetz ist das Stören der Tiere oder gar das Zerstören ihrer Brutstätten verboten.
„Für die Mauersegler und auch den Haussperling gelten die artenschutzrechtlichen Verbote des Bundesnaturschutzgesetzes für streng geschützte Arten. Demnach dürfen sie während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten nicht erheblich gestört werden“, bestätigt auch ein Sprecher der Stadt Kassel.
Der Sprecher verweist darauf, dass ein Mitarbeiter der Naturschutzbehörde am Montag ebenfalls vor Ort gewesen sei. Mauersegler seien zu dem Zeitpunkt zwar nicht gesichtet worden, aber Haussperlinge. Aufgrund ihres Verhaltens habe der Mitarbeiter den Eindruck gewonnen, dass diese beim Brüten gestört wurden. Daraufhin habe er bei der verantwortlichen Hausverwaltung einen sofortigen Baustopp verhängt. Zudem müsse diese nun ein Fachbüro mit einem artenschutzrechtlichen Gutachten beauftragen. Dies sei auch zugesagt worden. Erst nach Vorlage des Gutachtens werde entscheiden, ob und wie die Bauarbeiten weitergeführt werden können.
Lange ist froh, dass die Stadt eingegriffen hat – auch wenn er sich das früher gewünscht hätte. Doch weil solche Sanierungen nicht einer Baugenehmigung bedürfen, wird die Untere Naturschutzbehörde darüber auch nicht informiert. Jeder Verantwortliche müsse selber dafür sorgen, dass die naturschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden, so der Rathaussprecher.
Lange vom Nabu vermisst zu häufig die Sensibilität, wenn es um den Schutz der Vögel geht: „Jedes Jahr wird darüber informiert, dass vom 1. März bis 30. September die Hecken – wenn überhaupt – nur leicht und nach vorheriger Überprüfung auf Nester zurückgeschnitten werden dürfen und trotzdem halten sich viele nicht daran.“ Weil die Populationen wegen des rapiden Insektensterbens ohnehin zurückgingen, sei dies ein zusätzliches Problem.
Die Untere Naturschutzbehörde erhält jährlich 30 bis 40 vergleichbare Hinweise zum Artenschutz. Eine Rufbereitschaft für Meldungen gibt es nicht. Wenn einzelne Mitarbeiter nicht erreichbar seien, solle die Behördennummer 115 gewählt, bei Verdacht auf Straftaten die Polizei informiert werden. (Bastian Ludwig)