Ohne Test geht nichts: Besuch in einem Kasseler Awo-Seniorenheim

Die Zeit genereller Besuchsverbote in Altenheimen wegen Corona ist vorbei. Wie sieht jetzt der Alltag aus, welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es? Wir waren vor Ort.
Kassel - Wer als Besucher in das Awo-Seniorenheim auf der Marbachshöhe will, trifft unweigerlich auf Urszula Feliszek. Denn sie ist in einem Vorraum für den obligatorischen Schnelltest verantwortlich. Voll geimpft und geboostert reicht nicht. „Positiv“, ruft sie nach einer Weile und sorgt damit erst einmal für einen Schreck. „Nein, nein, alles gut“, sagt sie. Sie habe die gute Nachricht gemeint, der Test sei negativ. Auch Joachim Wickert, der Leiter, des Seniorenheims, ist erleichtert. Der vereinbarte Termin wäre sonst schnell vorbei gewesen. Hände desinfizieren, eine neue FFP2-Maske aufsetzen, und dann geht es los.
Verabredet sind wir mit dem 93-jährigen Werner Paddiz, der sich nach der Anfrage der Heimleitung zum Pressetermin bereit erklärt hat. Ein Glücksfall, wie sich recht schnell herausstellt.
Vorher aber noch ein paar Eckdaten. Ja, auch in dem Awo-Heim auf der Marbachshöhe gab es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen schon Coronafälle. Anfang Januar war das, da musste der Bereich, in dem auch Werner Paddiz wohnt, in Quarantäne. 95 Prozent der Gäste, wie sie Heimleiter Joachim Wickert bezeichnet, seien geimpft. Bei einigen gebe es durch Vorerkrankungen medizinische Bedenken gegen eine Impfung. Bei den Mitarbeitern sei die Impfquote ähnlich. „Ich würde mich freuen, wenn sich alle impfen ließen“, sagt Wickert. So lange das nicht der Fall ist, müssen sich die ungeimpften Mitarbeiter täglich testen lassen oder einen aktuellen Test vorweisen.
Bewohner Werner Paddiz wartet in einem Besprechungszimmer. Mit seiner Gehhilfe ist er meistens gut zu Fuß. „Manchmal wollen die alten Knochen aber auch nicht so richtig“, sagt er und lacht. Ja, Corona spiele in seinem Alltag immer noch eine Rolle. Die ständig steigenden Erkrankungen durch Omikron bereiten ihm Sorgen. Große Einschränkungen habe er aber nicht. „Ich bekomme alle zwei Wochen Besuch von meiner Nichte, andere Angehörige habe ich nicht mehr“, sagt der Mann, dem man seine Herkunft aus Schlesien anhört.
1928 ist er dort geboren und hat viel erlebt. Vielleicht geht er mit Corona auch deshalb vorsichtig und dennoch gelassen um. Als 16-Jähriger sei er in den letzten drei Kriegsmonaten noch eingezogen worden. Mit 17 musste er die Familie ernähren, der Vater war in Gefangenschaft. Dann die Vertreibung. Viele Jahre hat er in der Nähe von Cottbus im Bergbau gearbeitet, kam 1989 nach Kassel und ist seit neun Jahren Witwer.

Die Ehe blieb ohne Kinder. Werner Paddiz ist ein aufgeschlossener Mensch, kommt schnell mit anderen ins Gespräch und liebt den Dachgarten des Seniorenheims. Er hofft darauf, dass er sich dort im Frühjahr wieder mit anderen Bewohnern treffen kann. Seit fünf Jahren lebt er auf der Marbachshöhe. Gern, wie er betont. Corona hat daran nichts Grundlegendes geändert.
Heimleiter Joachim Wickert weiß aber auch, dass es nicht allen so geht. Es gebe unter den 100 Bewohnern auch einige, die ihr Zimmer kaum noch verlassen wollten. Das müsse man dann auch respektieren.
Nicht überall kann man nach der Testprozedur Besucher von Seniorenheimen ohne Weiteres besuchen. Auch bei der Awo nicht, die in Kassel neben dem Heim auf der Marbachshöhe noch vier Einrichtungen betreibt. Nach einer Reihe von Erkrankungen war zum Beispiel das Käthe-Richter-Haus im Auefeld zuletzt für Besucher geschlossen. In solchen Fällen versuche man, Kontakte per Telefon oder Tablet zu ermöglichen, sagt Sigrid Wieder, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.
„Das kann jeden treffen“, weiß auch Joachim Wickert. Er sei über jeden Tag froh, an dem Normalbetrieb möglich ist. „Und wenn nicht, dann kriegen wir das auch hin. Ich habe in meinem Leben schon Schlimmeres überstanden“, sagt Werner Paddiz. Dann verabschieden wir uns. Raus geht es schneller. Vielleicht gibt es ja im Frühling noch die Gelegenheit, sich den Dachgarten mal zusammen anzusehen. (Thomas Siemon)