Kirche St. Kunigundis in Kassel: Karitatives folgt der Kunst

Wie geht es nach der documenta mit der Kirche St. Kunigundis in Bettenhausen weiter? Wir waren vor Ort bei einem neuen gemeinsamen Mittagstisch für Menschen aus dem Stadtteil.
Kassel – Die documenta hat der Kirche St. Kunigundis in Bettenhausen im vergangenen Sommer weltweite Aufmerksamkeit verschafft. In der katholischen Kirche an der Leipziger Straße waren Skulpturen des haitianischen Künstlerkollektivs Atis Rezistans zu sehen, die für Gesprächsstoff in der Kunst- und Kirchenwelt sorgten. Darin verarbeitet waren neben Schrott auch Totenköpfe und Skelette.
Inzwischen ist es wieder ruhig geworden um das mehr als 95 Jahre alte Gotteshaus, das 2019 wegen schwerwiegender Schäden am Gewölbe für die Öffentlichkeit geschlossen worden war. Dank der Sicherungsmaßnahmen der documenta konnte St. Kunigundis zur Weltkunstausstellung erstmals wieder genutzt werden. Wir haben nachgefragt, wie es nun weitergeht.
Der Mittagstisch
Seit Kurzem gibt es in St. Kunigundis einmal pro Woche einen kostenlosen Mittagstisch. Das Angebot hat die katholische Kirche zusammen mit der nahe gelegenen evangelischen Marienkirche und der Heilsarmee auf die Beine gestellt. Damit wolle man alleinstehenden Menschen nicht nur eine warme Mahlzeit, sondern vor allem ein Essen in Gemeinschaft ermöglichen, sagt Pfarrerin Beate Bachmann-Voß von der Marienkirche. „Wir laden an einen großen Tisch ein, damit die Menschen miteinander ins Gespräch kommen können.“
Sieglinde Weber und Dieter Berg, die in direkter Nachbarschaft zur Kirche wohnen, sind schon zum zweiten Mal dabei. „Das ist ganz toll,“ sagt die 84-Jährige, die früher als Friseurin gearbeitet hat: „Ich brauche nicht zu kochen und kann mal richtig schnuddeln.“ Und richtig lecker sei es auch, ergänzt ihr Nachbar. Diesmal gibt es nach einer Vorsuppe entweder Schupfnudeln mit Würstchengulasch oder Hähnchengeschnetzeltes mit Gemüsereis – am Tisch serviert von Ehrenamtlichen und Geistlichen der beteiligten Gemeinden. Die eingeschweißten Essensportionen, die nur erwärmt werden müssen, spendiert der Cateringservice Grischäfer (Bad Emstal).
Mit der Einladung wolle man angesichts der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten auch Menschen eine vollwertige Mahlzeit ermöglichen, die sich dies nicht jeden Tag leisten können, sagt Pfarrer Martin Gies. „Die Gruppe, die Hilfe braucht, wird immer größer“, beobachtet Heilsarmee-Pastor Michael Geymeier. Darunter seien viele Menschen, die ihr Leben lang finanziell zurechtkamen. Vor allem ältere Menschen mit kleiner Rente rutschten zunehmend in die Bedürftigkeit. Die Scham sei groß.
An den Klapptischen im Eingangsbereich der Kirche ist für bis zu 25 Personen eingedeckt, sogar mit Blümchen. Noch sind Plätze frei. Damit für jeden Gast ein Essen da ist, bitten die Organisatoren um Anmeldung, die Daten werden vertraulich behandelt. Kontakt: St. Antonius, Tel. 0561/ 512670, E-Mail: pfarrei.ks-antonius@bistum-fulda.de; Marienkirche, Tel.: 0561-59178 E-Mail: beate.bachmann-voss@ekkw.de
Die Kirchennutzung
Trotz der Sicherungsarbeiten für die documenta ist vorerst nur der Eingangsbereich der Kirche unter der Orgelempore für Publikum zugänglich. Das eigentliche Kirchenschiff ist mit Flatterband abgesperrt. Zwar sorge ein unter dem Deckengewölbe eingezogenes Netz dafür, dass sich lösende kleine Teile nicht in den Innenraum fallen können. In dem Gutachten, das ein Ingenieurbüro im Auftrag der documenta erstellt hatte, sei die Rede davon, dass der Raum mit dem Netz für vier bis fünf Jahre sicher betreten werden könne, berichtet Pfarrer Martin Gies.
Allerdings würden die Korrosionsschäden immer größer, je länger man mit der Sanierung warte. Gerade im Winter, wenn das Gewölbe kalt sei, könne sich bei der Nutzung mit größerem Publikum durch die aufsteigende Wärme Kondenswasser bilden, das die Schäden beschleunige. Daher verzichte man in der kalten Jahreszeit auf Gottesdienste oder andere Veranstaltungen in der Kirche, zumal auch die Heizung kaputt sei, so der Pfarrer.
Im kommenden Sommer wolle man die Apsis, also den Bereich hinter dem Altar, für kleinere Veranstaltungen nutzen. In dem Halbrund sei Platz für etwa 30 Personen. Die einst prächtigen und nun teils bröckeligen Heiligenmosaiken in der Apsis, die mit Klebestreifen und Folie gesichert wurden, sollen im Lauf des Jahres restauriert werden, berichtet der katholische Pfarrer. Derzeit werde ein Kostenvoranschlag erstellt. Ob und wann eine Sanierung der gesamten Kirche erfolgen kann, ist noch ungewiss. 2020 waren bereits begonnene Arbeiten von der katholischen Kirche gestoppt worden, weil das Ausmaß der Schäden deutlich größer war als erwartet. Eine Sanierung hätte mehr als eine Million Euro gekostet. Für eine rein kirchliche Nutzung sei das angesichts der finanziellen Situation der Gemeinde und des Bistums nicht tragbar, sagt Pfarrer Martin Gies.
Die Pläne
Die katholische Gemeinde hofft nun auf Investoren für eine Instandsetzung der 1927 eingeweihten Kirche. Erst danach komme eine intensive Nutzung wieder in Frage, so Gies. Er kann sich ein Gemeinschaftsprojekt vorstellen, um die Kirche als Raum für Kunst, Kultur und Begegnung neu zu beleben und zu belegen. Selbst wenn die Kirche für eine neue Nutzung profaniert würde, sagt der Pfarrer, könnte man dort noch Gottesdienste feiern. (Katja Rudolph)

