Kassel. Die Bärenkammer war ein traditionsreiches Lokal in der Kasseler Altstadt, um das sich viele Geschichten ranken.
An einige der Anekdoten erinnert sich HNA-Leser Ralf Backhausen, der Enkel des langjährigen Bärenkammer-Wirtes Rudi Backhausen.
Die Gaststätte befand sich in einem 1830 erbauten Haus am Pferdemarkt 12. Nachdem das Gebäude zunächst durch die Dampfbierbrauerei Eisengarthen genutzt wurde, erwarb später die Hofbierbraurerei Schöfferhof das Anwesen. Bereits vor der Jahrhundertwende befand sich im Erdgeschoss die Bärenkammer, in der selbst gebrautes Bier verkauft wurde.
Woher der Name stammt, dazu gibt es unterschiedliche Theorien. Eine lautet, er sei aus dem mundartlichen Wort für Pferdemarkt („Pähremarkt“) entstanden. Aus der Pährekammer sei die Bärenkammer geworden. Diese wurde 1937 von Rudi Backhausen gepachtet. Gemeinsam mit seiner Frau Liesel und seinen Töchtern Elfriede und Brunhilde führte er die Kneipe.
Zur Unterhaltung der Gäste habe sein Großvater Opern-Arien gesungen, berichtet dessen Enkel Ralf Backhausen der HNA. Zu den Spezialitäten des Hauses hätten Eisbein und Sulperknochen (gepökeltes Knochenfleisch) gehört. Aber die Menschen kamen offenbar vor allem wegen des selbst gebrauten Biers.
Der Kasseler Mundart-Dichter und frühere Stadtverordnete Paul Nagel (1872-1951) dichtete 1914 für einen Stadtrat, der nach Frankfurt zog: „Un uß d’r Birgerschaft von hier schallt’s wie uß einem Mulle: Nur hier gi’ts Bärenkammerbier, blieb an dem Strand der Fulle; Hier jedermann dich gerne sieht, wer weiß, was dä in Frankfurt blieht, mach also kinn Schlamassel und blieb bie uns in Cassel.“
Zu den Stammgästen gehörten der spätere preußische Innenminister Albert Grzesinski und der Landtagsabgeordnete und reformpädagogisch orientierte Lehrer Valentin Traudt. Aus den 20er-Jahren wird von einem Stammgast berichtet, der regelmäßig die Anwesenden unter den Tisch trank. Eines Abends wurde dieser von einem Gast darauf hingewiesen, dass an einem anderen Tisch einer sitze, der noch mehr trinke. Alle eilten zu dem Unbekannten, um ihn zu bewundern. Und siehe da: es war der Sohn des bis dato ungeschlagenen Trinkers.
Familie starb im Keller
Beim Luftangriff auf Kassel am 22. Oktober 1943 wurde die Bärenkammer zerstört. Hundert Menschen hatten sich in den weitverzweigten Bierkeller des Hauses geflüchtet – 30 starben, darunter die Frau und die beiden Töchter des Wirtes. Sie waren erstickt.
Rudi Backhausen heiratete nach dem Krieg wieder und eröffnete mit seinem Sohn die neue Bärenkammer am Ständeplatz / Ecke Fünffensterstraße. Sie war bis 1961 geöffnet. Heute befindet sich an deren Stelle ein Haus mit einem Sushi-Restaurant im Erdgeschoss.
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