Boris Rhein beim Jahresempfang der IHK Kassel-Marburg

400 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschft der Region trafen sich auf Einladung der Industrie- und Handelskammer im Kasseler Hotel La Strada
Kassel – Beim Stichwort Volkswagen zuckt es Boris Rhein schon mal leicht in den Hosenbeinen. Vor seiner Rede beim Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer Kassel-Marburg zeigte sich Hessens Ministerpräsident als Fan der lässigen Klänge, die eine Jazz-Combo des Volkswagen-Soundorchestra unter Leitung von Detlef Landeck im Festsaal des Hotels La Strada intonierte und dabei auch VW-Autoteile als Schlagwerk nutzten. Es gebe in Hessens Norden wohl „einen Zusammenhang zwischen dem Bauen guter Autos und guter Musik“, mutmaßte Rhein.
Nach drei Jahren Pandemie wechselte die regionale Wirtschaft erstmals in so großer Runde wieder in den Small-Talk-Modus. Rund 400 Gäste waren geladen und genossen die Gelegenheit zum Wirtschafts-Schaulauf und zur Netzwerkpflege. Allein darum ging es aber nicht: Als Gastgeber hatte IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan die Gelegenheit von Rheins Visite mit klaren verbandspolitischen Erwartungen verbunden.

Auf Feldern wie Infrastruktur, Energiewende und Fachkräftesicherung würden sinnvolle Gestaltungsimpulse aber durch „eine überbordende Bürokratie“ ausgebremst, kritisierte Jordan anhand von allerlei Beispielen und eingespielten Film-Testimonials von Kammermitgliedern. Ein ernst gemeinter und wirksamer Bürokratieabbau sei „das beste Konjunkturpaket, das die Politik auf den Weg bringen kann“.
Rhein stimmte in seiner Rede der Problembeschreibung insoweit zu, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren „deutlich schneller werden“ müssten. Seiner Darstellung nach soll es auf Hessen-Ebene aber nicht an Problembewusstsein mangeln: „Wir prüfen jede neue Vorschrift auf Mittelstandstauglichkeit.“

Vertreter der regionalen IHK lud der Ministerpräsident zur Mitarbeit in einem neuen „Hessischen Zukunftsrat Wirtschaft“ ein, was Jordan auch zusagte. Dessen zuvor erhobener Forderung nach Einrichtung einer „Clearingstelle Mittelstand“, welche schon bei der Entstehung von Gesetzen und Verordnungen mitreden soll, erteilte Rhein allerdings eine Absage. Argument: Dann würde man ebenso Kirchen, Gewerkschaften und weitere Interessengruppen beteiligen müssen – mit Resultaten, die dann mutmaßlich nicht immer im Interesse der Wirtschaft lägen.
Ansonsten brachte der IHK-Empfang die Erkenntnisse, dass der Landesvater schon ein wenig im Hessen-Wahlkampfmodus ist, dass Rhein zuweilen noch gern in D-Mark rechnet und dass er als früherer Wissenschafts- und Kunstminister den künftig „unaussprechlichen Namen“ der Museumslandschaft Hessen Kassel nicht mag: „Ich sag’ einfach weiter MHK.“

Und, weitere Erkenntnis: dass man in Kassel ab sofort mit Sven Schoeller rechnen muss. Der IHK-Empfang mit so vielen wichtigen Gästen, dass sie Hauptgeschäftsführer Arnd Klein-Zirbes dann doch ellenlang, aber versprecherfrei namentlich nennen musste, war Schoellers erster öffentlicher Termin nach amtlicher Feststellung seines Wahlsiegs. Boris Rheins in den Saal gerichteter Gruß an den „Herrn Oberbürgermeister“ muss wohl, obgleich noch nicht im Amt, bereits ihm gegolten haben.