Champion nach Gehör: Blinde Kasselerin ist Deutsche Meisterin im Tischball

Kassel/Baunatal. Birgit Riester spielt seit 8 Jahren Tischball. Dabei verlässt sich die 48-Jährige nur auf ihr Gehör. Im vergangenen Jahr ist sie die erste Deutsche Meisterin in der Sportart geworden.
Eine Frau im roten Trikot beugt sich über einen Tisch, verharrt und schlägt plötzlich den rasselnden Ball mit Kraft auf die gegnerische Seite. Das ist Birgit Riester beim Tischballspielen. Das Besondere: Sie ist blind.
Die 48-Jährige spielt seit acht Jahren Tischball und ist 2017 die erste Deutsche Meisterin in der Sportart geworden, die auch Showdown genannt wird. Am Freitag will sie ihren Titel verteidigen. Mit 13 Jahren erlitt Riester eine Netzhauterkrankung und erblindete erst auf dem einen, mit 15 auf dem anderen Auge.
Zum Tischball ist sie eher zufällig gekommen. 2010 hörte sie, dass der Blindenverein eine Tischballplatte angeschafft hatte. „Ich wollte gerne mal aus dem Alltag rauskommen und bin zum Probetraining gegangen“, erzählt sie und beginnt zu strahlen. „Und ich habe wohl ein kleines Talent dafür.“ Besonders stolz macht sie, dass ihr jüngster Sohn Schiedsrichter beim Tischball ist. Riester hat einen ebenfalls blinden Mann, drei sehende Söhne im Alter von 17, 20 und 23 Jahren und arbeitet als Juristin. Neben Tischball geht sie gerne Wandern und fährt Tandem.
Heute empfindet sie im Alltag keine Einschränkungen mehr. „Für mich ist es normal, blind zu sein, eigentlich vermisse ich nichts“, sagt sie. Natürlich gebe es Dinge, die sie lieber mache als andere, wie zum Beispiel Kochen oder Wäsche falten. Einkaufen möge sie nicht so, da sie dabei Hilfe benötigt.
Obwohl sie im Tischball solche Erfolge feiert, verzichtet sie darauf, zu Hause zu trainieren. „Das Training ist zeitintensiv und Tischball ist sehr laut, deshalb ist mein Mann froh, wenn er mal seine Ruhe hat“, erzählt sie und beginnt zu schmunzeln. Die Lautstärke kommt vom Ball, der mit Metallstiften gefüllt ist, damit man ihn auf der 3,63 m langen Holzplatte hört und orten kann.

Zum Tischball gehören nicht nur ein Schutzhandschuh und ein Holzschläger, sondern auch ein Sichtschutz. Dank der Brille können Sehende, Sehbehinderte und Blinde die Sportart spielen. „So haben alle die gleichen Chancen, das finde ich so toll“, erzählt sie. Während des Spiels muss es ruhig sein, da der Ball sonst nicht geortet werden kann und man schnell ein Gegentor kassiert. „Einen Unterschied zwischen sehenden und blinden Spielern gibt es eigentlich nicht. Vielleicht ist das Gehör Blinder geschulter“, erzählt Riester.
Durch die talentierten und ambitionierten Spieler sei Kassel eine Hochburg des Tischballs geworden. Momentan gibt es sieben aktive Tischballspieler, über die Hälfte sind sehbehindert oder blind.
Hintergrund: Das ist Tischball
Vom Prinzip her erinnert Tischball an Air Hockey. Das Spielfeld ähnelt einer Tischtennisplatte, hat aber einen erhöhten Rand, sodass der Ball nicht einfach vom Tisch fallen kann. In der Mitte ist eine Glasplatte befestigt, unter der der Ball durch und ins gegnerische Tor gespielt werden muss. Das Spiel läuft in der Regel Eins gegen Eins ab. Seit 2010 findet in Deutschland eine offizielle Meisterschaft statt. Um Tischball zu spielen, benötigt man folgende Ausrüstung: einen Schutzhandschuh, einen Schläger und eine Schutzbrille.
Die Trainingszeiten der Tischball–Spieler in Kassel sind mittwochs von 17 bis 20 Uhr, im fab e.V., Samuel-Beckett-Anlage 6 und freitags von 15 bis 17 Uhr im Vereinsgebäude des BSG, Waldauer Fussweg 100. Anfänger sind willkommen, der Ansprechpartner Deniz Kürtoglu ist unter kassel@showdown-germany.de erreichbar.
Die Meisterschaft in Baunatal
An der deutschen Meisterschaft von Freitag, 6. April, bis Sonntag, 8. April, nehmen 12 Damen und 24 Herren teil. Austragungsort ist das Hotel Stadt Baunatal, Wilhelmshöher Weg 5. Die Spiele beginnen am 6. April um 7.30 Uhr, die Meisterschaft endet am 8. April gegen 14 Uhr.
Von Anne-Michèle Woelbert