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Corona: Hoher Bedarf an PCR-Abstrichen sorgt für Anspannung an den Teststellen

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Von: Robin Lipke, Alina Andraczek

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Testcenter der Kassenärztlichen Vereinigung am Klinikum
Lange Wartezeiten: Wer in den vergangenen Tagen einen PCR-Test am Testcenter der Kassenärztlichen Vereinigung am Klinkum machen wollte, musste Geduld und Zeit mit bringen. © Robin Lipke

Mit der Omikron-Variante steigen nicht nur die Infektionszahlen rasant an, zugleich wächst der Bedarf an PCR-Tests. Die erhöhte Nachfrage führt wiederum zu angespannten Situationen an Teststellen in Kassel.

Kassel – Am Testcenter auf dem Gelände des Klinikums etwa bildeten sich in der zurückliegenden Woche lange Schlangen. Der Frust staute sich bei Wartenden derart auf, dass „eine Mitarbeiterin sogar angespuckt wurde“, wie Karl Roth von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nun mitteilte.

Nicht nur an der Teststelle der KV herrscht in diesen Tagen großer Andrang. Arztpraxen und Apotheken ächzen ebenfalls angesichts der großen Nachfrage nach PCR-Tests. Wir haben uns bei Betroffenen umgehört.

Kasseler versuchen verzweifelt, an PCR-Tests zu kommen

Sandra Schellhase liefert ein passendes Beispiel dafür, wie es vielen Kasselern derzeit ergeht. Der Schnelltest der Tochter schlägt positiv aus. Also holt die Mutter sie direkt wieder aus der Schule ab und fährt zum KV-Center am Klinikum für einen PCR-Test. Es ist 8.30 Uhr, eine halbe Stunde bevor die Stelle offiziell öffnet, doch die beiden werden nicht mehr auf das Gelände gelassen. Zu voll. Im Auto sitzend, googelt Schellhase mit dem Smartphone, um eine andere Möglichkeit zu finden.

Sie ruft bei der KV an und bei ihrer Krankenkasse. Währenddessen beobachtet sie, wie „im Minutentakt die Leute weggeschickt werden“. Schellhase versteht nicht, warum die Kapazitäten nicht ausgebaut werden. Schließlich entdeckt sie eine Alternative. Sie fährt mit ihrer Tochter in eine Apotheke nach Hofgeismar.

Hausarzt: Mehr als ein Drittel der Patienten kommt für PCR-Abstrich

Dr. Uwe Popert spricht von einer Welle aus PCR-Testungen, unter der seine Praxis versinke. Mehr als ein Drittel der Patienten kämen, um einen Abstrich vornehmen zu lassen. Tendenz steigend. „Von Tag zu Tag explodiert das“, sagt der Hausarzt aus dem Vorderen Westen. Anderen Kollegen ergehe es nicht anders. Zudem befürchtet Popert, dass die Röhrchen langsam knapp würden.

Wobei der Nachschub an Test-Materialien das geringere Problem sei. „Wir haben die Belastungsgrenze längst erreicht“, sagt Popert. Es müsse eine neue Regelung gefunden werden, zumal die PCR-Tests vorwiegend positiv ausfielen. Der Mediziner schlägt vor, die PCR nur noch bei relevanten Gruppen anzuwenden – etwa bei Risikopatienten, deren Angehörigen und Kontaktpersonen sowie bei Menschen aus medizinischen Berufen. Für Popert steht fest: „So, wie es jetzt läuft, kann es nicht mehr weitergehen.“

Apothekerin: Immer mehr Kontaktpersonen und im Schnelltest-Positive rufen an

Der Ansturm auf die Testelle der Victoria-Apotheke an der Holländischen Straße ist schon von außen an der Schlange der Wartenden sichtbar. Seit „ungefähr einer Woche“ klingelt das Telefon hier so gut wie ununterbrochen, wie Inhaberin Petra Kleimann erzählt. Mittlerweile rufen immer mehr Kontaktpersonen und im Schnelltest positiv Getestete an, um Termine für PCR-Tests zu vereinbaren. „Omikron ist so viel infektöser, deswegen sind wir gerade wirklich am Limit“, sagt Kleimann. Die Apotheker sind dazu übergegangen, auch ohne Termin zu testen. Anders ließe es sich kaum organisieren.

Petra Kleimann, Victoria-Apotheke
Petra Kleimann, Victoria-Apotheke © Alina Andraczek

Bis zu 70 PCR-Tests führen Kleimann und ihre Kollegen täglich durch. Und selbst das scheint kaum zu reichen: „Wenn die Leute keinen Termin haben, müssen sie leider warten, und dass kann bis zu zwei, drei Stunden dauern“, so Kleimann. Erst kürzlich sei ein Kollege aus der Teststelle selbst positiv getestet worden und ausgefallen. „Wir haben also auch Probleme, das aufrecht zu erhalten.“

Der Apothekerin bleibt keine andere Möglichkeit, als die Menschen auf die Wartezeiten hinzuweisen. Viele von ihnen reagierten gereizt. „Wir können nur an die Leute appellieren, Geduld zu haben, wenn man dort warten muss“, sagt Kleimann.

KV weitet Öffnungszeiten des Testcenters am Klinik aus

Karl Roth, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, ist sich der „herausfordernden Situation“ bewusst. Deshalb habe die KV die Öffnungszeiten des Testcenters am Klinikum in dieser Woche ausgedehnt. Angesichts der hohen Infektionszahlen könne sich die Lage aber nicht von heute auf morgen entspannen. Weitere Teststellen seien keine Option: „Wir können das Personal nicht aus dem Hut zaubern“, sagt Roth.

Als weiteres Problem sieht der KV-Sprecher die überlasteten Labore, die mit der Analyse der Proben nicht hinterherkämen. Wie Popert befürwortet Roth eine Art Priorisierung, was PCR-Tests anbelangt, um der Situation Herr zu werden. Aktuell können sich am KV-Center Menschen kostenlos testen lassen, die starke Symptome aufweisen, deren Warn-App rot leuchtet, deren Schnelltest positiv ausfällt und die von Gesundheitsamt oder Praxen geschickt werden.

Bei allem Verständnis für den Frust wegen der langen Warterei mache ihm das Verhalten der Menschen sorgen. Das werde zunehmend aggressiv. Der traurige Höhepunkt sei die Spuckattacke auf eine Mitarbeiterin gewesen. Anzeige sei bereits erstattet. Die Situation sei nicht schön: „Aber bestimmte Grenzen dürfen nicht überschritten werden.“

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