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Kasseler Student gegen den Klimawandel: „CO2 ist wie Corona“

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Von: Matthias Lohr

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Klimaaktivist Viet Hoang Nguyen aus Kassel auf Island.
Immer auf dem Sprung: Zuletzt dokumentierte Viet Hoang Nguyen die Folgen des Klimawandels auf Island. Nun studiert er in Kassel Stadtplanung. © Johannes Küchler

Viet Hoang Nguyen war in Kassel lange das Gesicht von Fridays for Future. Nun will er in der SPD gegen den Klimawandel kämpfen, der für ihn wie Corona ist.

Kassel – Vor wenigen Wochen hat Viet Hoang Nguyen dem Klimawandel zum ersten Mal richtig ins Auge gesehen. Für ein Journalismusprojekt war der Kasseler Klimaaktivist nach Island gereist. Dort sah er schmelzende Gletscher, aufgetaute Permafrostböden und schwimmende Eisberge. Für das englischsprachige Magazin der Organisation „Worldwide Friends“, die den Besuch organisiert hatte, schrieb er einen Artikel, in dem es hieß: „Island ist dabei, den Sinn seines Namens zu verlieren. Meine Hoffnung, den Klimawandel noch stoppen zu können, stirbt.“

Kampf gegen den Klimawandel: Nguyen war auch Teil von Fridays for Future

Das klingt ein bisschen nach der Fridays-for-Future-Ikone Greta Thunberg. Eine Zeit lang war Nguyen so etwas wie das Kasseler Gesicht der Bewegung. Er hielt nicht nur auf Demonstrationen eindrucksvolle Reden, sondern auch auf dem Kasseler SPD-Parteitag und diskutierte mit Landespolitikern in Wiesbaden.

Die Erfahrungen, die er dabei machte, waren nicht nur positiv: „Fast alle Parteien finden es gut, wenn sich junge Leute für das Klima engagieren, aber keine macht konsequent etwas gegen die Krise.“ Bei Fridays for Future ist der 19-Jährige schon länger nicht mehr aktiv, trotzdem ist der Klimawandel nach wie vor sein großes Thema.

Aktivist sagt Klimawandel den Kampf an - Studium in Kassel und Engagement bei SPD

Gerade hat er angefangen, in Kassel Stadtplanung zu studieren – „ganz bewusst, denn wenn ich Politik machen will, will ich auch Ahnung und einen Beruf haben, mit dem man etwas verändern kann.“ Während sich andere Fridays-for-Future-Aktivisten in der neuen Klimaliste engagieren, weil ihnen die Grünen nicht grün genug sind, hat sich Nguyen für die Kommunalwahl von der SPD aufstellen lassen. Fraktionschef Patrick Hartmann lobt ihn: „Er brennt für Themen und kann sie gut präsentieren.“ Trotzdem reichte es nur für einen hinteren Listenplatz.

Nguyen weiß, dass es für ihn schwer wird, Stadtverordneter zu werden. Er sagt: „Vielleicht käme das jetzt noch zu früh für mich.“ Dabei kam für ihn bislang selten etwas zu früh. Er war im Landesvorstand der Jugendorganisation Junge europäische Föderalisten. Am Goethe-Gymnasium arbeitete er für die Schülerzeitung „Umlauf“, die mehrmals als beste des Landes ausgezeichnet wurde. Und mit Spanisch lernt er gerade seine fünfte Sprache. Deutsch, Englisch, Französisch und Vietnamesisch kann er bereits fließend.

Geboren wurde Nguyen in Sulzbach-Rosenberg in der Oberpfalz. Vor zehn Jahren zog er mit seiner Familie nach Kassel. Seine Eltern stammen aus Vietnam, sein Vater ist Kriegswaise. Immer wieder wird Nguyen im Alltag gefragt, wo er herkomme. Wenn er „Kassel“ sagt, wird oft nachgefragt: „Nein, wo kommen Sie eigentlich her?“ Nguyen scherzt dann manchmal: „Wenn man Bayern nicht als Deutschland anerkennt, habe ich einen doppelten Migrationshintergrund.“

Aktivist Nguyen verzichtet wegen Klimawandel auf das Fliegen

Vor dem Beginn seines Studiums wollte er eigentlich mit der Transsibirischen Eisenbahn durch Asien reisen. Wegen Corona besuchte er stattdessen mehrere europäische Länder. Wenn man ihn fragt, ob es nicht ein Widerspruch ist, gegen den Klimawandel zu kämpfen und ständig unterwegs zu sein, versichert er, dass er „immer verantwortungsvoll und klimafreundlich reist. Ich würde niemals für drei Tage nach Mallorca fliegen.“

Wenn es geht, verzichtet er auf den Flieger. Und wenn nicht, kompensiert er seine CO2-Belastung mit einer Spende für ein Regenwald-Projekt in Brasilien. Er ahnt, dass er sich damit nicht nur Freunde macht. Den einen oder anderen Shitstorm musste er bereits überstehen, sagt er. Auch deshalb lässt er sämtliche Zitate autorisieren, wie es sonst bei Politikern üblich ist.

Und er weiß, welche Sätze gut ankommen könnten. Zum Beispiel: „CO2 ist wie ein Virus. Wir haben das Virus in die Welt gesetzt. Die Erde versucht, es zu bekämpfen, indem es wärmer wird. Für dieses Virus gibt es aber ein Heilmittel, das wir alle kennen.“ Es klingt, als hätte Nguyen die Hoffnung doch noch nicht aufgegeben. (Matthias Lohr)

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