„Egal wie man entscheidet, irgendwem tritt man immer auf die Füße“, sagt der Geschäftsinhaber. Die Politik wälze die Verantwortung auf den Handel ab, kritisiert Hahne: „Allerdings habe ich kein Expertengremium im Keller meines Ladens sitzen.“
Es herrsche viel Verunsicherung, sagt auch Christina Lindenau vom Juwelier Paetow an der Wilhelmstraße. Mit dem sechsköpfigen Team habe man sich darauf geeinigt, angesichts der hohen Inzidenzen im Geschäft weiterhin Maske zu tragen. „Wir erhoffen uns davon nach wie vor einen Schutzfaktor, auch für unsere Kunden“, sagt die Geschäftsführerin. Der Kundschaft werde man das Tragen einer Maske aber freistellen. Sie rechne damit, dass viele Menschen weiterhin freiwillig eine Maske tragen werden. Davon geht auch Margaret Stange-Gläsener vom Dez aus – sowohl was die Kunden als auch die Beschäftigten in den Ladengeschäften betrifft. „Die Verantwortung wird an den Bürger zurückgegeben“, sagt sie.
Während in den Multiplex-Kinos Cinestar und Cineplex die Sonderregeln enden, haben die Arthouse-Kinos Bali, Gloria und Filmladen ein eigenes Konzept entwickelt, das dem Sicherheitsbedürfnis vieler Besucher entgegenkommen soll, wie Gerhard Wissner erläutert. So soll es spezielle Zonen in den Kinosälen geben, in denen Zuschauer weiterhin mit Abstand platziert werden können. Das kann beim Ticketkauf extra angegeben werden. Insofern werden die Kinosäle nur zu etwa 80 Prozent belegt.
Das große Aufatmen setzt im Einzelhandel mit dem Wegfall der Maskenpflicht nicht ein. Eher sind viele Geschäftsinhaber unsicher, wie sie mit der neuen möglichen Maskenfreiheit umgehen sollen. Theoretisch könnten sie von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und nur Kunden den Zutritt erlauben, die eine Maske tragen.
Doch nach zwei Jahren Pandemie, die in den meisten Branchen für herbe Umsatzrückgänge gesorgt hat, möchte kaum jemand potenzielle Kunden verprellen. Bei unserem Rundruf in einigen Kasseler Geschäften winden sich viele Inhaber regelrecht bei dem „schwierigen Thema“, wie es vielfach heißt.
„Gerade der Einzelhandel und die Gastronomie leben vom Kundenkontakt, und der ist ohne Maske einfacher“, sagt Sebastian Hahne vom Glücksgriff an der Treppenstraße. Die Vorstellung, die Maske wegzulassen, sei daher eine schöne. Gleichzeitig habe er angesichts der hohen Infektionszahlen Zweifel, ob es der richtige Moment sei, die Masken fallen zu lassen. „Ich bin Rudi Ratlos“, gibt er offen zu – und spricht damit wohl vielen Geschäftsinhabern aus dem Herzen.
Als „Kompromisslösung“ bezeichnet Christina Lindenau vom Juwelier Paetow das Vorgehen, dass die Mitarbeiterinnen weiter Maske bei der Arbeit tragen. Das habe man im Team so beschlossen. Der Kundschaft stelle man frei, ob sie im Geschäft Maske tragen wollen. Da das Ladengeschäft geräumig sei, könne man aber auch bei mehreren Kunden gleichzeitig noch für genügend Abstand sorgen. „Das Wichtigste ist, dass sich weiterhin alle Kunden bei uns wohlfühlen“, sagt Lindenau.
Maske ja oder nein? Etwas komplizierter ist die Entscheidung für die Volkshochschule Region Kassel, die einen Großteil ihrer Kurse an rund 200 Orten in Stadt und Kreis nun auch wieder in Präsenz stattfinden lässt. „Wir nutzen ja kommunale Räumlichkeiten und sind damit an die Vorgaben der jeweiligen Kommune gebunden“, sagt Sven Hebestreit, kommissarischer Leiter. Mit denen befinde man sich in Absprache. Kurse würden aber zunächst nicht voll ausgelastet, sondern mit etwa 75 Prozent der regulären Teilnehmerzahl belegt und auch Abstand solle weiterhin eingehalten werden.
Eine Maskenpflicht wird es in den Cineplex-Kinos in Kassel und Baunatal nicht geben. „Wir setzen auf die Eigenverantwortung unserer Gäste und empfehlen das Tragen einer Maske, wenn es mal enger wird“, sagt Inhaber Wolfgang Schäfer. Die Mitarbeiter würden weiterhin eine Maske tragen und täglich getestet werden.
Schäfer betont: „In der Pandemie hat sich gezeigt, dass Kinos keine Infektionstreiber sind.“ Zum einen würden die Lüftungsanlagen die Verteilung von Aerosolen verhindern. Zum anderen werde weiterhin nicht jeder Platz in den Kinosälen besetzt.
Auch im Filmpalast fällt die Maskenpflicht – außer für Mitarbeiter, die alle befürworten, sie weiter zu tragen, sagt Theaterleiter David Omland. Das Kino entzerrt weiterhin die Spielzeiten, so dass sich keine Staus an Kasse und Snacktheke bilden. Die Öffnungszeiten sind somit weiterhin nach vorn und hinten etwas ausgeweitet. Nachweise sind nicht mehr nötig.
Geschäftsführerin Juliane De Boer ergänzt: „Wir haben immer gefordert, mit Restaurants gleichbehandelt zu werden. Wir sind insofern sicherer, weil wir die größeren Räume haben. Insofern ist es nur konsequent, wenn wir jetzt im gleichen Maß lockern.“ Sie lehnt es aus diesem Grund ab, wenn Kinos nun einen Sonderweg fahren.
Stadt Kassel: Für das Rathaus sowie die anderen Dienststellen der Stadtverwaltung (etwa Bürgerbüro, Zulassungsstelle) bleibt das Tragen einer Maske auch über den Samstag hinaus Pflicht. „Mit der Aufhebung der Maskenpflicht für weite Teile des öffentlichen Lebens ab dem 2. April wächst die Eigenverantwortung des Einzelnen.
Wir haben weiterhin hohe Ansteckungsraten und können daher das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an Orten mit vielen Menschen nur ausdrücklich empfehlen“, sagte dazu Oberbürgermeister Christian Geselle.
Die Stadt Kassel mache daher im Rathaus und in Dienststellen von ihrem Hausrecht Gebrauch, auch zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ob dies auch für Museen und andere städtische Einrichtngen gelten wird, darüber soll noch vor diesem Samstag informiert werden, kündigte ein Stadtsprecher an.
Landkreis Kassel: Die 28 Städte und Gemeinden im Landkreis Kassel haben sich zum Umgang mit dem Wegfall der Maskenpflicht bereits ausgetauscht. „Es ist nicht ganz einfach und hängt auch von der Größe der Rathäuser ab“, sagt Söhrewalds Bürgermeister Michael Steisel, der auch Sprecher der Bürgermeisterkreisversammlung ist.
Gerade in kleineren Häusern müsse die Funktionsfähigkeit aufrecht erhalten werden. Deshalb bitte man die Bürger, weiterhin eine Maske zu tragen. Das Hausrecht werde man zunächst nicht anwenden, sondern auf die Eigenverantwortung und ein respektvolles Miteinander setzen. Die Rathäuser seien zwar stets geöffnet, aber eine vorherige Terminvereinbarung könne die Infektionsgefahr reduzieren. Eine einheitliche Regelung sieht Steisel aber nicht. „Es könnte ein Flickenteppich werden.“
Auch in den öffentlichen Sitzungen der politischen Gremien wird es wohl beim Appell bleiben, so Steisel. Beim Umgang mit den Alters- und Ehejubilaren gebe es ebenfalls Unterschiede. „Eigentlich wollten wir ab dem 1. April wieder Hausbesuche machen, so war es im vergangenen Herbst besprochen“, sagt Steisel. Beim Blick auf die Zahlen würden einige Bürgermeister zunächst noch darauf verzichten.
Auch die Kirchen setzen weiterhin auf Masken zum Schutz bei Gottesdiensten. In den katholischen Gemeinden bleibe es bis auf Weiteres bei der Maskenpflicht, sagt Stefan Ahr vom Dekanatsteam auf HNA-Anfrage. Auch die evangelische Kirche empfiehlt ihren Gemeinden angesichts der angespannten pandemischen Lage, über den 2. April hinaus am Maskentragen in Innenräumen festzuhalten.
Die Uni Kassel setzt für das Mitte April beginnende Sommersemester auf Präsenzlehre. Die Hörsäle und Seminarräume sollen dabei wieder voll besetzt werden, geplant war dabei eine Maskenpflicht. Ob die Hochschule daran festhält, war gestern noch offen.
„Vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens muss die Rückkehr zum Präsenzstudium auch unter Beachtung geeigneter Basisschutzmaßnahmen erfolgen“, sagte eine Sprecherin. Über die konkrete Ausgestaltung stimme man sich unter anderem mit den anderen hessischen Hochschulen bis Freitag ab.
Noch stehen die genauen Regelungen nicht fest, die künftig am Staatstheater gelten werden. Sprecherin Juliane Clobes teilt aber mit, dass das beliebte Karfreitagskonzert am 15. April, 20 Uhr, in der Stadthalle in voller Auslastung über die Bühne gehen wird. Auf dem Programm unter Leitung von Mario Hartmuth stehen Dmitri Schostakowitschs Sinfonie Nr. 5, Vier Ernste Gesänge von Johannes Brahms und das Requiem von Benjamin Britten. (Anna Lischper, Alia Shuhaiber, Bettina Fraschke, Katja Rudolph)
Wie geht es mit der Corona-Maskenpflicht im Supermarkt weiter? Aldi hat sich zum Thema Maske tragen beim Einkauf bereits geößert.