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Cyber-Fahnder jetzt Chef der Staatsanwaltschaft Kassel

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Von: Ulrike Pflüger-Scherb

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Dieses Bild schmückt die Wand im Büro des neuen Leiters der Staatsanwaltschaft Kassel: Andreas May bekam es von Kindern geschenkt, die sich bei ihm und seinen Kollegen dafür bedanken wollten, dass sie die Kinderporno-Plattform „Elysium“ vom Netz genommen haben.
Dieses Bild schmückt die Wand im Büro des neuen Leiters der Staatsanwaltschaft Kassel: Andreas May bekam es von Kindern geschenkt, die sich bei ihm und seinen Kollegen dafür bedanken wollten, dass sie die Kinderporno-Plattform „Elysium“ vom Netz genommen haben. © Andreas Fischer

Er war 13 Jahre lang Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) in Frankfurt. Jetzt ist Andreas May (60) neuer Chef der Staatsanwaltschaft Kassel.

Kassel - In seinem Büro an der Frankfurter Straße hat Andreas May, der neue Leiter der Staatsanwaltschaft Kassel, ein eindrucksvolles Bild hängen. Darauf steht: „Vielen Dank für Eure Arbeit“. Daneben sind die Abdrücke von vielen Kinderhänden zu sehen.

Das Bild bekam der Jurist von einem Kindergarten in Selters geschenkt. Als Dank dafür, dass die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT), dessen Leiter er 13 Jahre lang war, zusammen mit dem Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2017 die Kinderporno-Plattform „Elysium“ vom Netz genommen und die Verantwortlichen festgenommen hat.

Der 60-jährige May war bis zu seinem Wechsel nach Kassel vor rund vier Wochen der oder zumindest einer der wichtigsten Strafverfolger gegen die Cyberkriminalität in Deutschland. Er hat Pädophile, Drogenhändler und Waffenschmuggler zunächst im Internet und später im Dark-net gejagt und auch überführt. Die 22 Staatsanwälte, die mittlerweile für die ZIT bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt arbeiten, kümmern sich aber auch um die Bekämpfung von Hate-Speech im Netz und Erpressungssoftware, die gegen Firmen eingesetzt wird.

Bei der Staatsanwaltschaft in Gießen begann May, der in der Wetterau aufgewachsen ist und in Frankfurt Jura studiert hat, seinen Erfolgsweg als Pionier bei der Bekämpfung von Internetkriminalität. Initialzündung für die Arbeit sei vor über 20 Jahren eine Zusammenarbeit mit dem BKA gewesen, sagt May. Mithilfe der kanadischen Behörden konnten sie damals erstmals in Deutschland eine kinderpornografische Plattform stoppen.

Die Cyber-Fahndung sei kein Kunstgebilde, das nur im virtuellen Raum ermittele. Die Ermittler der ZIT seien für die Bürger da. Besonders wichtig sei es ihm immer gewesen, dass Opfer von Missbrauch im Netz identifiziert werden konnten, um den Leidensweg der Kinder zu beenden.

Dass er sich jetzt entschieden hat, nach Kassel zu wechseln, habe auch mit der „Urangst“ zu tun, mit den jüngeren Kollegen nicht mehr auf Augenhöhe zu sein, sagt May. „Ich gehöre nicht zu der Generation, die mit dem Handy aufgewachsen ist.“ Der Wechsel nach Kassel sei aber keine Beförderung, sondern eine Versetzung gewesen, sagt May. „Lobsta (Abkürzung für Leitender Oberstaatsanwalt) war ich schon vorher.“

Die Staatsanwaltschaft Kassel genieße den Ruf, eine gut geführte Behörde zu sein, bei der die Stimmung sehr gut sei. Auch die Größe mit 60 Staatsanwälten und Amtsanwälten sowie insgesamt 200 Bediensteten habe ihn gereizt. Darüber hinaus schätze er Götz Wied, den stellvertretenden Leiter der Staatsanwaltschaft Kassel, den er seit vielen Jahren kennt.

Seitdem er in Kassel ist, sei er vom „Lehrenden erst mal wieder zum Lernenden“ geworden. „Ich war 13 Jahre lang aus dem Basisgeschäft raus.“ Jetzt schaue er sich erst mal alles genau an. Plant er Änderungen? Wenn erforderlich, dann aber nur behutsam. May ist aufgefallen, dass in der Kasseler Behörde noch sehr viel Papier verbraucht wird. Bei der ZIT in Frankfurt gab es bereits ausschließlich eine elektronische Aktenführung. Er will die Umstellung darauf auch in Kassel vorantreiben. Dann gebe es auch größere Möglichkeiten für die Kollegen, mobil zu arbeiten.

„Ich wollte immer Staatsanwalt werden“, sagt May, der einen unkomplizierten Eindruck macht. „Ich ermittele wahnsinnig gern.“ Als Behördenleiter müsse er sich zwar in erster Linie um die Justizverwaltung kümmern und könne nicht selbst jede Woche in eine Sitzung gehen. „Ich will aber nicht ausschließen, dass ich Bereitschaftsdienste übernehme.“ Zudem strebt er eine enge Zusammenarbeit mit der Kasseler Polizei an, so wie er das vom BKA kennt.

May hat sich nicht halb, sondern ganz für Kassel und Nordhessen entschieden. Mit seiner Lebensgefährtin wohnt er bereits im Umland. Derzeit fährt er noch mit dem Bus zur Arbeit. May mag öffentliche Verkehrsmittel. Wenn es wärmer wird, wechselt der sportbegeisterte Jurist aufs Rad. So wie sein Vorgänger Hans-Manfred Jung. (use)

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