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Er war das Gesicht des Theaterstübchens: Türsteher Hamed Al Samarraie ist tot

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Von: Matthias Lohr

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Er duzte jeden Gast: Hamed Al Samarraie arbeitete 15 Jahre als Türsteher im Theaterstübchen.
Er duzte jeden Gast: Hamed Al Samarraie arbeitete 15 Jahre als Türsteher im Theaterstübchen. © Privat/nh

Wer einmal im Theaterstübchen war, kannte auch Hamed Al Samarraie. Der Türsteher war das Gesicht des Jazz-Clubs und ein ganz besonderer Mensch. Nun ist er gestorben.

Kassel – Am 14. Januar kurz vor Mitternacht wurde es im vollen Kasseler Theaterstübchen plötzlich totenstill. Wie jeden Samstagabend feierten und tanzten Hunderte Gäste ausgelassen im Club in der Jordanstraße. Dann ließ DJ Mr. Brown die Musik verstummen und Theaterstübchen-Chef Markus Knierim bat um einen Moment des Schweigens für seinen Mitarbeiter Hamed Al Samarraie. 15 Jahre war er Türsteher in dem Jazz-Club, der für viele als beste Adresse der Republik gilt. Am 6. Januar war der 56-Jährige in seiner Wohnung in Nieste nach langer Krankheit gestorben.

An jenem Samstag würdigte Knierim ihn als „Gesicht des Theaterstübchens“. Für eine kleine Ewigkeit war im Club kein Laut zu vernehmen – bis Mr. Brown „Nothing Left To Be Desired“ des Blues-Musikers Johnny Guitar Watson spielte, einen Lieblingssong von Hamed Al Samarraie. Dann ging die Party zu seinen Ehren weiter. Der ungewöhnliche Moment zeigt, dass Hamed Al Samarraie vielen Menschen viel bedeutete.

Kassel: Hamed Al Samarraie ist tot – „Ich habe durch ihn gelernt, Menschen zu akzeptieren, wie sie sind“

Der große Mann, der stets Kopftuch und Ledermantel trug, duzte jeden Gast, unterhielt sich mit vielen lang und tiefgehend und erklärte immer wieder gern, warum sich die Besucher selbst einen Stempel auf die Hand machen sollten. „Ich stempel keine Menschen ab“, sagte er. Diese offene Art war ein Markenzeichen von Hamed Al Samarraie. Sein Sohn Carim Al Samarraie (28), der gerade sein Examen an der Kunsthochschule gemacht hat, sagt: „Ich habe durch ihn gelernt, Menschen zu akzeptieren, wie sie sind. Diese Sichtweise ändert alles. Dafür bin ich sehr dankbar.“

Geboren wurde Hamed Al Samarraie 1966 in Kassel, aufgewachsen ist er in Kaufungen. Sein Vater stammte aus einer gut situierten Familie im Irak, seine Mutter ist Deutsche. Mehrmals wollte die Familie in das arabische Land ziehen. Aber spätestens als dort 1979 Diktator Saddam Hussein an die Macht kam, war klar, dass die Al Samarraies in Deutschland bleiben.

Nach dem Realschulabschluss machte Hamed eine Tischler-Ausbildung in Kassel. Die Ausbilder schlugen dem Linkshänder mit dem Zollstock auf die Hand, um ihn zu zwingen, mit rechts zu arbeiten. Die Ausbildung brach er deswegen ab. Als einziger in seiner Familie nahm er zudem nicht die deutsche Staatsbürgerschaft an. „Diese Bürokratie machte für ihn keinen Sinn“, sagt sein zwei Jahre älterer Bruder Ahmed Al Samarraie: „Solche Entscheidungen waren charakteristisch für ihn.“

Kassel: Hamed Al Samarraie ist tot – „Er wollte Harmonie und Frieden in die Welt tragen“

Der Musik-Fan machte sich im Bühnenbau selbstständig und arbeitete bei Festivals wie Rock am Ring. Einmal musste er Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister unzählige Flaschen Whiskey in den Backstage-Raum bringen. Lenny Kravitz reichte er bei einem Konzert die Gitarren. Und Michael Jackson stand ihm bei einem Auftritt 1997 in Berlin versehentlich auf dem Fuß.

In der Gastronomie suchte Hamed Al Samarraie 40 Jahre immer neue Herausforderungen. Er war Türsteher des legendären Clubs Kunstbunker an der Rathauskreuzung, jobbte mehrfach im Fiasko und arbeitete viele Jahre in Berliner Kneipen. Nach seiner Rückkehr nach Kassel wurden die 15 Jahre im Theaterstübchen die längste Zeit, in der er an einem Ort wirkte. Schlägereien gab es dort praktisch nie, was auch an der deeskalierenden Art von Hamed Al Samarraie lag.

Materielle Dinge waren ihm unwichtig. „Er wollte vor allem ein klein wenig Harmonie und Frieden in die Welt tragen“, sagt sein Sohn. Dies soll auch am Samstag, 4. Februar, deutlich werden: Ab 14 Uhr wird Hamed Al Samarraie im Kaufunger Ruheforst beigesetzt. Freunde und Bekannte sind willkommen. Die Trauerfeier findet danach im Theaterstübchen statt. (Matthias Lohr)

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