Die MHK hatte den neuen Namen Ende Januar mit der Agentur Dorfmeyster vorgestellt. Der Grund: Der alte Name rücke zu sehr die Museen in den Fokus. Zudem könne mit „Hessen Kassel Heritage“ das internationale Publikum besser angesprochen werden.
Der Protest wird aller Voraussicht nach folgenlos bleiben. Im Ministerium in Wiesbaden ist man laut einem Sprecher zuversichtlich, dass sich der neue Begriff etablieren werde. Es habe einen sorgfältigen Auswahlprozess gegeben. Bei einer Befragung sei der Begriff „Heritage“ überwiegend verstanden und mit den Begriffen Geschichte, Erbe und Kultur in Verbindung gesetzt worden. „Möglicherweise unterschätzen die Kritikerinnen und Kritiker des Begriffs die sprachliche Flexibilität der Hessinnen und Hessen“, heißt es.
Der Name MHK war laut dem Ministeriumssprecher nicht überzeugend. Kritik an ihm habe es schon bei der Einführung 2006 gegeben. Die drei Buchstaben, so sei damals gelästert wurden, erinnerten an ein Müllheizkraftwerk.
Warum lehnen Kritiker den neuen Namen ab?
Weil er „nicht unser Begriff ist“, wie der Kasseler Karikaturist Gerhard Glück sagt. Der 78-Jährige ist einer der bekanntesten Cartoonisten Deutschlands und einer von 170 Unterzeichnern des Briefs, den die Kasseler Kunsthistorikerin Andrea Linnebach-Wegner verfasst hat. Glück findet, dass „Hessen Kassel Heritage“ dem „komplexen Wesen“ der Museumslandschaft nicht gerecht wird. Der neue Begriff sei nicht transparent und koste viel Geld. „Das ist Zeitgeist-Schickimicki“, sagt der Künstler, der unnötige englische Begriffe ablehnt.
Wer hat den Brief unterzeichnet?
Unter den Unterzeichnern findet man zahlreiche prominente Köpfe aus Wissenschaft und Kunst – etwa die emeritierten Kasseler Uni-Professoren Burckhard Fricke (Physik), Hardy Fischer (Produktdesign), Dietfrid Krause-Vilmar und Jens Flemming (beide Historiker) sowie den Typografen Friedrich Forssman. Aber nicht nur in Kassel stößt die Umbenennung auf Kritik. Unterschrieben haben so auch Gregor J. M. Weber, der im Amsterdamer Rijksmuseum für die Alten Meister zuständig ist, und die Berliner Kunsthistorikerin Sabine Thümmler.
Was antwortet das zuständige Ministerium in Wiesbaden?
Richtig überrascht ist man im hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst nicht von der Kritik. Ein Sprecher von Ministerin Angela Dorn (Grüne) teilt auf Anfrage mit, dass Namensänderungen „erfahrungsgemäß häufig mit Irritationen verbunden“ seien. Das sei 2006, als sich die Landesbehörde „Schlösser und Gärten Hessen“ und die „Staatlichen Museen Kassel“ zur MHK vereinten, nicht anders gewesen. Der neue Name werde nun „nach und nach beim Neudruck von Unterlagen und Materialien kostenbewusst eingeführt“. Für die Umbenennung würden keine zusätzlichen Mittel bewilligt: „Sie erfolgt aus dem regulären Marketingbudget, das der Museumslandschaft Hessen Kassel zur Verfügung steht.“ Darauf hatte auch schon die MHK bei der Vorstellung des Namens Ende Januar hingewiesen.
Wie geht es mit dem Astronomisch-Physikalischen Kabinett (APK) weiter?
Das ist offen. Wegen der Sanierung der Orangerie hatte MHK-Direktor Martin Eberle 2021 angekündigt, Objekte der Technik-Sammlung in das Landesmuseum zu verlegen. Für die Kritiker wäre eine „dauerhafte Auflösung ein ungeheurer Verlust“, wie es im Brief heißt. Dazu teilt die MHK auf Anfrage mit, dass man seinerzeit „bewusst den Kontakt zur Öffentlichkeit gesucht habe, um die Menschen an den Plänen teilhaben zu lassen“. Die Orangerie müsse wegen schwerwiegender bautechnischer Mängel umfassend instandgesetzt werden. Zudem müsse die seit 1992 bestehende museale Präsentation auf ein zeitgemäßes Niveau gebracht werden, wie eine Sprecherin mitteilt. Direkt nach der Schließung sei ein Gutachten auf den Weg gebracht worden, das unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten des Gebäudes abwäge und prüfe. Entscheidungen dazu stünden noch aus. Das ebenfalls in der Orangerie beheimatete Planetarium ist vorübergehend geschlossen, weil ein wichtiger technischer Mitarbeiter die MHK verlassen habe. Die Stelle soll nun zeitnah wiederbesetzt und der Betrieb wieder aufgenommen werden.
Wird die MHK ab 1. Mai „Hessen Kassel Heritage“ heißen?
Davon ist auszugehen. MHK und auch das Ministerium in Wiesbaden sehen keinen Grund, von ihren Plänen abzuweichen. Für Karl-Hermann Wegner, Mann der Initiatorin Andrea Linnebach-Wegner und einst Leiter des Stadtmuseums, ist das letzte Wort jedoch noch nicht gesprochen: „Das ist noch nicht das Ende. Der Protest wird weitergehen. Herr Eberle hat sich jetzt schon in der Fachwelt bis auf die Socken blamiert.“ (Matthias Lohr)