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Mordfall Lübcke: Stephan Ernst hatte enge Kontakte zu NPD-Funktionär

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Von: Matthias Lohr

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NPD-Funktionär Thorsten Heise in Ostritz (Sachsen) beim Rechtsrockfestival Schild und Schwert.
Hatte immer wieder Kontakt zu Stephan Ernst: NPD-Funktionär Thorsten Heise, der Rechtsrockkonzerte veranstaltet. © Daniel Schäfer/dpa

Seine Neonazi-Kameraden nannten Stephan Ernst lange nur „NPD-Stephan“. Nun kommt heraus, dass der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke enge Kontakte zu einem hohen NPD-Funktionär hatte.

Kassel – Im Februar 2002 wäre Stephan Ernst beinahe neuer Kasseler NPD-Chef geworden. In einer Kneipe in Wehlheiden trafen sich die Mitglieder der rechtsextremen Partei. Der bisherige Kreisvorsitzende wollte wegen Arbeitsüberlastung nicht weitermachen. Auf ihn sollte Ernst folgen. Er kündigte ein Vier-Augen-Gespräch mit dem bisherigen Chef an, wurde dann aber doch nicht Nachfolger.

Als der Kasseler Neonazi im Juni vorigen Jahres wegen der Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke verhaftet wurde, hieß es bei der NPD, Ernst sei nur „für kurze Zeit passives Mitglied“ gewesen. Unterlagen des Verfassungsschutzes, aus denen die Tageszeitung „Die Welt“ zitiert, belegen nun jedoch, dass der Hauptangeklagte im Lübcke-Prozess seinen Spitznamen „NPD-Stephan“ nicht umsonst trug.

Brisant ist vor allem, wie oft Ernst, der sich derzeit am Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) verantworten muss, angeblich Kontakt mit dem NPD-Funktionär Thorsten Heise hatte. Der gebürtige Göttinger gilt als einer der berüchtigtsten Neonazis des Landes. Der 51-Jährige musste schon im Münchner NSU-Prozess aussagen, weil er enge Kontakte zu Unterstützern des Terror-Trios gehabt haben soll. Nachgewiesen werden konnte Heise nichts.

Er lebt weiter auf einem ehemaligen Rittergut in Fretterode im thüringischen Eichsfeld – direkt hinter der hessischen Landesgrenze und nur sechs Kilometer vom AfD-Rechtsaußen Björn Höcke entfernt, dem er beim Umzug nach Bornhagen geholfen haben soll. Für „Die Welt“ könnte der Veranstalter von Rechtsrockkonzerten der Pate sein, der das Denken von Ernst beeinflusst hat.

So kam Heise angeblich mehrmals zu Stammtischen, die die NPD und Kameradschaften etwa in Gaststätten im Wesertor organisierten und an denen auch Ernst teilnahm. 2004 wurde der Nordhesse zu einer Wintersonnenwendfeier eingeladen, an der neben Heise weitere Köpfe der rechten Szene teilgenommen haben sollen. Zeugen wollen Ernst auch 2011 nach seinem Parteiaustritt auf einer Sonnenwendfeier in Thüringen gesehen haben. Und am 1. Mai 2003 sollen beide zu einer NPD-Demo nach Berlin gefahren sein.

Der mehrfach verurteilte Neonazi, der einst die Kameradschaft Northeim gründete, wollte die Vorwürfe weder bestätigen, noch bestritt er sie. Den Journalisten sagte er, dass er sich an das Gesicht von Ernst erinnere, „an persönliche Gespräche indes nicht“.

Die Dokumente des Verfassungsschutzes gehören zur Ermittlungsakte der Bundesanwaltschaft im Mordfall Lübcke, die mittlerweile 56 000 Seiten umfasst. Aus dieser erhofft sich auch der Untersuchungssausschuss des hessischen Landtags Erkenntnisse über die Netzwerke von Ernst. Im Frankfurter Prozess wurden die bislang kaum beleuchtet. Trotzdem verweigert das Gericht den Politikern bislang, Einblick in die Akten zu nehmen. Dagegen soll nun geklagt werden.

Im Prozess gegen Ernst und den Mitangeklagten Markus H. soll heute am OLG ein Polizist vernommen werden, ehe am Donnerstag der Nebenkläger Ahmad E. aussagt. Der irakische Flüchtling soll von Ernst im Januar 2016 in Lohfelden niedergestochen worden sein. (Matthias Lohr)

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