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Club-Betreiber über das Ausgehen: „Die Leute wollen weiter feiern“

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Von: Matthias Lohr

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Auf den ersten Blick ist es wie vor Corona: Im Club 22 auf der Friedrich-Ebert-Straße war die Tanzfläche am Samstag gegen Mitternacht gut gefüllt. Wie in allen anderen Discos gilt auch hier bislang die 2G-plus-Regel.
Auf den ersten Blick ist es wie vor Corona: Im Club 22 auf der Friedrich-Ebert-Straße war die Tanzfläche am Samstag gegen Mitternacht gut gefüllt. Wie in allen anderen Discos gilt auch hier bislang die 2G-plus-Regel. © Pia Malmus

Viele Clubs und Discos sind nach zwei Jahren Corona-Pause wieder voll. Für Club-Betreiber Karl Börries beweist das: Die Leute wollen endlich wieder feiern.

Kassel – Nach zwei Jahren Corona-Pause haben auch in Kassel die meisten Clubs wieder auf – wie auch der Club 22 auf der Friedrich-Ebert-Straße und das York in der Innenstadt. Wir fragten Betreiber Karl Börries, wie der Neustart war, ob die Gäste das Feiern verlernt haben und ob es eine Lösung für die Feiermeile Fritze gibt, wo sich viele Anwohner am Wochenende von Gästen belästigt fühlen.

Auch der Club 22 und das York sind seit dem vorletzten Wochenende wieder auf. Ist Corona für Sie vorbei, und die Party geht jetzt weiter?

Das kann ich nicht sagen. Wir sind jedenfalls aber heilfroh, dass wir wieder öffnen dürfen. Im Herbst hatten wir schon einmal einige Wochen auf. Diesmal sind wir angetreten, um zu bleiben. Die Herausforderung war, wieder ein Team zusammenzustellen. In beiden Läden beschäftigen wir jeweils 25 bis 30 Aushilfen. Die mussten sich vor zwei Jahren natürlich etwas Neues suchen, weil sie ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Das eigentliche Problem war jedoch nicht, Personal zu finden, sondern es einzuarbeiten. Den Club-Betrieb kann man nicht simulieren. Alles muss sich einspielen, wenn am Wochenende die Hütte voll ist.

Wie läuft der Betrieb?

Mega. Am ersten Abend haben wir um zehn geöffnet, und 20 Minuten später war die Tanzfläche voll. Das gab es noch nie. Es ist einfach schön, die Leute endlich wieder tanzen zu sehen und die Stimmung zu erleben. Zudem hatten die Gäste Verständnis, dass nicht alles gleich wieder zu 100 Prozent klappte – wie auch, wenn man von null auf hundert durchstarten muss. So gab es etwa lange Schlangen. Die Geduld und Toleranz der Gäste motiviert uns.

Sind die Leute noch anders als vor Corona?

Nein, aber wir haben auch viele neue Leute. Unsere jüngsten Gäste im York waren vor Corona erst 15 oder 16. Die sind heute 18 oder 19 und stehen nun zum ersten Mal im Leben in einem Club. Froh bin ich über die 2G-plus-Regel. Das vermindert die Infektionsgefahr. Wer trotzdem Angst hat, sich anzustecken, wird jetzt nicht in einen Club gehen. Ich bin kein Virologe. Aber wir erfüllen sämtliche Auflagen und verzeichnen bisher keine vermehrten Corona-Fälle. Die Wahrscheinlichkeit, sich bei uns anzustecken, ist genauso groß wie in der Schule. Darüber hinaus haben wir bereits letztes Jahr in beiden Clubs entsprechende Luftreinigungsanlagen installieren lassen.

Wie haben Sie die beiden vergangenen Jahre überstanden?

Wir hatten großes Glück, dass es den Club 22 und das York schon lange gibt. Wir konnten Rücklagen bilden für solche Zeiten. Ohne die Hilfen vom Staat hätten wir dennoch nicht überlebt. Wir können froh sein, in diesem Land zu leben. Die Unterstützung war einzigartig. Ohne Einnahmen kann kein Betrieb zwei Jahre überstehen.

Neben bundesweiten Hilfen gab es auch das Programm „Kopf hoch, Kassel“. Wie wichtig war diese zusätzliche Unterstützung der Stadt?

Auch das war toll, wenngleich die 5000 Euro noch nicht mal eine Monatsmiete abdecken. Als Signal hat uns die Unterstützung gezeigt, dass uns die Stadt nicht allein lässt und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um uns kümmert. Auch dafür sind wir sehr dankbar.

Kurz vor Beginn der Pandemie sagten Sie, das Club-Sterben, von dem so viel die Rede war, gebe es in Kassel gar nicht. Auch nach Corona sind noch viele Läden übrig geblieben. Bislang haben Sie recht behalten.

Davon gehe ich aus. Ich kenne keinen Kollegen, der im Zuge der Pandemie hätte aufgeben müssen. Wer vor Corona rentabel gearbeitet hat, müsste dank der Hilfen durchgekommen sein. Für diejenigen, die vorher schon angeschlagen waren, sieht es anders aus. Darum kann man nicht oft genug Danke sagen. Viele nehmen die staatlichen Unterstützungen als Selbstverständlichkeit hin. Die würden sich in anderen Ländern umgucken. Ich kenne kein anderes Land, in dem es so viel Unterstützung gab.

Wie sieht die Zukunft der Clubs mittelfristig aus? Andere Betreiber klagen, dass viele Leute das Weggehen erst wieder lernen müssen.

Das glaube ich nicht. Die Leute wollen auch nach Corona feiern. Es ist ein Grundbedürfnis, auszugehen, zu feiern und zu tanzen. Die jungen Leute wollen sich an solchen Orten treffen – als Ausgleich zu dem Stress, den sie von Montag bis Freitag haben. Ich habe selbst zwei Töchter im Alter unserer Zielgruppe. Ich habe eine Ahnung davon, was den jungen Menschen abverlangt wurde. Jeder, der an seine Jugend zurückdenkt, weiß, was in dem Alter eigentlich abläuft. Und nun gab es zwei Jahre lang nichts zu feiern. Das ist traurig. Allerdings kann ich nicht in die Zukunft schauen. Wir haben uns angewöhnt, nicht länger als sechs Wochen im Voraus zu planen. Das ist eine Konsequenz aus der Pandemie, in der wir donnerstags neue Anweisungen bekamen, die wir bis Samstag umgesetzt haben mussten.

Vor zwei Jahren sagten Sie auch: „Auf der Fritze war noch nie so viel los wie derzeit.“ Viele Anwohner leiden unter dem Treiben. Haben Sie eine Lösung, damit die Menschen feiern können und gleichzeitig die Anwohner ihre Ruhe haben?

Die habe ich auch nicht. Aber klar ist: Über die Leute, über die sich die Anwohner beschweren, beschweren wir uns auch. Das sind nicht unsere Gäste. Die holen sich die Getränke im Späti, bringen ihre Bluetooth-Lautsprecher mit und nutzen die Fritze nur als Location. Heraufbeschworen hat das Problem auch eine gut gemeinte Toleranzpolitik. Ordnungsamt und Polizei haben es sicher gut gemeint, indem sie während der Pandemie nicht so streng reagiert haben wie sonst. Es gibt aber Leute, die testen sich immer weiter aus, wenn sie keine Konsequenzen spüren. Allerdings ist es schon besser geworden. Versammlungen auf dem Platz der elf Frauen gab es an den letzten Wochenenden nicht mehr in dem Maße.

Ein Club ist ja auch immer mehr als nur eine Vergnügungsstätte. Hier kommen unterschiedlichste Menschen zusammen. Jenseits aller Konflikte, die so entstehen, haben Clubs auch eine Integrationsfunktion. Wie sähe die Welt aus, wenn es sie nicht gäbe?

Das weiß ich nicht. Meine Welt hatte immer einen Club. Und in meiner Welt wird es immer einen Club geben. Die Menschen brauchen das. Das hat man auch in der Pandemie gesehen, als der Club 22 das einzige Lokal auf der Friedrich-Ebert-Straße war, das geschlossen hatte, weil Clubs nicht öffnen durften. In den Bars, die offenbleiben durften, haben aber auch DJs aufgelegt, und die Leute haben dazu getanzt. Umso mehr freuen wir uns, dass wir jetzt auch wieder dabei sein dürfen. (Matthias Lohr)

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