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Demo zum Ukraine-Krieg: Friedensbewegung warnt vor Waffenlieferungen

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Von: Matthias Lohr

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Im März 2022 protestierten viele Menschen vor dem Rathaus gegen den Ukraine-Krieg. Die aktuellen Demos der Friedensbewegung, auf denen sich auch gegen Waffenlieferungen ausgesprochen wird, erhalten deutlich weniger Zuspruch. Archi
Im März 2022 protestierten viele Menschen vor dem Rathaus gegen den Ukraine-Krieg. Die aktuellen Demos der Friedensbewegung, auf denen sich auch gegen Waffenlieferungen ausgesprochen wird, erhalten deutlich weniger Zuspruch. Archi © Andreas Fischer

Ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs ruft auch die Friedensbewegung in Kassel zur Demo auf. Im Interview erklärt der Anmelder: Waffenlieferungen verlängern das Gemetzel nur.

Kassel – „Stoppt das Töten in der Ukraine“, fordern die Teilnehmer der Kundgebung am Freitag (17 Uhr) auf dem Kasseler Friedrichsplatz ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs. Wir sprachen mit Anmelder Jens Bukowski von der Deutschen Friedensgesellschaft.

Müsste Ihre Demo nicht auf dem Roten Platz in Moskau stattfinden?

Der Rote Platz wäre sicher auch ein sinnvoller Ort, aber wir glauben an die Demokratie hier. Von uns aus kann nur die deutsche Bevölkerung erreicht und eventuell überzeugt werden, mehr gegen den Krieg zu tun. Angemeldet haben wir die Veranstaltung mit 50 Teilnehmern. Am Samstag in Berlin werden bei den Organisatoren des „Manifests für den Frieden“ von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht sehr viel mehr Menschen zusammenkommen. Uns geht es aber nicht um einen Wettbewerb der Teilnehmerzahlen, sondern um den Gedanken, mehr für den Frieden zu tun.

Von der Bundesregierung fordern Sie eine ernst zu nehmende diplomatische Initiative. Haben Sie eine Idee, wie man mit einem Diktator wie Putin verhandeln kann?

Nein, aber verhandelt werden muss immer. Erst nach dem Beginn von Verhandlungen sieht man, wo es stockt. Mit den Problemen muss man dann umgehen und einen Kompromiss finden.

Ein Kompromiss mit jemandem, der die Ukraine auslöschen will, ist schwer vorstellbar.

Aber ein Kompromiss ist nicht der schlechteste Vorschlag, wenn es noch zwei schlimmere Szenarien gibt: einen jahrelangen Stellungskrieg oder gar einen Atomkrieg. Es gibt keinen risikolosen Weg. Ich beziehe mich auf Immanuel Kant, der davon überzeugt war: Das Prinzip, sich zu verständigen, funktioniert auch mit dem Teufel. Vor Verhandlungen gibt es immer Maximalforderungen. Wir sind jedoch nicht mal am Startpunkt von Verhandlungen.

Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht haben für ihren Offenen Brief, in dem sie sich gegen Waffenlieferungen aussprechen, viel Kritik bekommen. Wollen auch Sie den Ukrainern die Möglichkeit nehmen, sich zu verteidigen?

Die Ukrainer verteidigen sich seit einem Jahr sehr gut. Artikel 51 der Uno-Charta sagt klar: Bei einem Angriff ist die Selbstverteidigung zunächst absolut gerechtfertigt. Danach ist es jedoch Aufgabe der Uno, zu verhandeln und den Konflikt zu begrenzen. Wir haben leider eine schwache Uno. Trotzdem muss hier weitergearbeitet werden. Darum gilt: Jetzt erst recht keine Waffenlieferungen mehr. Waffen verlängern nur den Krieg. Die Metzelei setzt sich über Jahre fort.

Ein Ende der Waffenlieferungen würde bedeuten, dass noch mehr Ukrainer sterben.

Wenn man sofort den Frontverlauf gleichzeitig mit einem Waffen- und Nachschubstillstand einfriert, würden sicher weniger sterben. Wir wollen, dass es weniger Opfer gibt. Ein ukrainischer Sieg nach jahrelangen Kämpfen wäre ein vergifteter Sieg, auch weil kurz vorher ein Atomschlag militärisch vorteilhaft erscheinen wird.

Der Philosoph Jürgen Habermas ist für Waffenlieferungen, hat aber Verhandlungen gefordert und eine Debatte über das Kriegsziel des Westens. Wie groß ist Ihre Angst, dass sich der Krieg ausweitet?

Ich habe keine Angst, aber ich sehe, dass einflussreiche Militärs Angst haben und vor einem nuklearen Krieg warnen. Für mich gibt es daher eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung: Ein Atomkrieg ist durchaus vorstellbar.

Sie beklagen, dass man beleidigt werde, wenn man nicht in die angebliche Kriegseuphorie einstimmt. Welche Reaktionen bekommen Sie?

Ich selbst bin noch nicht so hart angegangen worden. Aber ich beobachte in den Medien, dass sich der Ton verschärft und man rücksichtslos wird. Der Liedermacher Wolf Biermann etwa hat den Philosophen Richard David Precht und den Soziologen Harald Welzer „Secondhand-Kriegsverbrecher“ genannt, weil sie nicht seiner Meinung sind. Es gibt in Deutschland längst eine innere Front.

Auch Rechtspopulisten plädieren gegen Waffenlieferungen. Wie grenzen Sie sich von rechts ab?

Rechte sind bei uns unerwünscht. Wir machen vor der Kundgebung aber keine Gesinnungsprüfung. Leider gibt es bei vielen Kundgebungen falsche Freunde. Würde ein AfD-Politiker bei uns auftauchen, würde ich versuchen, ihn fortschicken. Und ich würde deutlich machen, wo wir uns unterscheiden. Auch mit Worten kann man sich abgrenzen. (Matthias Lohr)

Kundgebung: Freitag (17 bis 18 Uhr) Friedrichsplatz. Veranstalter: Deutsche Friedensgesellschaft, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Redner: Stefan Ahr (Katholische Kirche), Ulrich Schneider (VVN-BdA) und andere.

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